Startschwierigkeiten

Und so ging es los…

Um kurz nach Fünf erreiche ich Warns. Erst gestern hatte ich Han, den Hafenmeister gefragt ob ich heute kommen könnte. Davor war das hier noch nicht endgültig sicher. Aber dann hat alles noch geklappt. Nun, jedenfalls fast alles. Etwas verärgert sehe ich auf die Uhr. Eigentlich wollte ich doch viel früher hier sein! Drei Uhr, meinetwegen auch vier. Gemütlich Zelt aufbauen, nach Stavoren, Leckereien einkaufen und zwischendurch noch BEA aufbauen. Ja, so hatte ich mir das vorgestellt. Aber natürlich hatte ich über zwei Stunden im Stau gestanden. Doofe A3. Fünf Uhr – Anfang März – und ich habe noch einiges vor. Verdammt. Das meiste davon kann ich nach Sonnenuntergang und der damit einhergehenden Dunkelheit nicht mehr erledigen.

Nach einem tiefen Atemzug steige ich aus und suche Han. Dabei komme ich an den ganzen, doch eigentlich wirklich schönen Yachten die an Land aufgebockt sind vorbei. Verdammt. Das sind so schöne Boote – aber an Land… nee, die gehören ins Wasser. So ein Leerer Hafen sieht zwar nicht schlecht aus, aber das Meer aus Masten an Land… ist traurig. So können die ja gar nicht segeln. Aber naja, so ist das nun mal. Und irgendwann müssen ja gewisse Arbeiten erledigt werden, auch wenn ich bei meiner Kleinen davon verschont bleibe. Dann geht meine Suche weiter. Schließlich finde ich seinen Bruder im Stormvogel – ich selbst starte in De Vrijheid, genau wie letztes Mal. Doch dieser sagt mir, ich solle einfach schon mal mein Zelt aufstellen, er würde Han bescheid sagen. Allmählich habe ich mich beruhigt. Es ist wie es ist. Und Hey: Ich habe Zeit! Ich möchte mich nicht stressen, dafür ist es hier viiiiiel zu schön. Der Himmel ist so wunderschön, die ganzen Masten… und das Wasser. Ja, das Wasser: Das ist doch so wunderschön! Obwohl es „nur“ Kanäle sind die ich hier sehe, alleine das Wissen das ich – ICH – von hieraus einen richtigen Segeltörn machen kann… alleine dieses Wissen verleiht ihnen schon etwas von Grenzenlosigkeit. Mit einem kurzen Blick zur Sonne, sie nähert sich unaufhaltsam dem Horizont, eile ich zurück in die Vrijheid und trage meinen Kram, drei Seesäcke, hinter, dorthin, wo ich auch letztes Mal gecampt habe. Eigentlich hatte ich ja gehofft mich auf zwei Seesäcke begrenzen zu können, aber das war mir auf die Schnelle dann doch nicht gelungen.

Noch bevor ich das Zelt aufgebaut habe, kommt Han auf mich zu.

Er erinnert sich an mich – den Typen mit dem aufblasbaren Segelboot. Ich freue mich. Ist ja doch schon paar Monate her, das ich zuletzt hier war.

Wir unterhalten uns kurz und ich lasse mir zeigen, wo ich mein Auto gut abstellen kann. Immerhin fängt die Saison bald an – bestimmt möchte der Eine oder Andere in den nächsten Wochen einkranen und da wäre es doch richtig doof, wenn dann mein Auto im Weg wäre. Nee, das muss nicht sein. Dabei zeigt mir Han auch noch, wie ich mit dem Auto viel näher an den Campingbereich komme: Anstatt mein Boot übers halbe Gelände zu schleppen kann ich es jetzt mit wenigen Schritten vom Auto zum Wasser bringen. Danke!

Dann mache ich mich an den Zeltaufbau, der recht schnell geht. Ich bin zwar etwas aus der Übung, aber es geht.

Noch ist die Sonne nicht untergegangen und ich hätte gerne einen Spaziergang gemacht. Aber: Ich will heute unbedingt noch BEA aufbauen. Das ist mir irgendwie wichtig. Klar, morgen ist auch noch ein Tag – aber ich mag eigentlich morgen gleich los können und mich nicht erst noch um den Aufbau kümmern müssen. Anstatt also den Abend zu genießen heißt es Boden rein und mal wieder pumpen, pumpen, pumpen. Die Pumperei ist nervig – ich bin froh, das nicht jeden Tag machen zu müssen. Für ihr Alter hält meine Kleine ganz gut die Luft. Bei einem 37 Jahre alten Schlauchboot gewiss nicht selbstverständlich!

Wie schon letztes Jahr wird sie einfach ins kalte Wasser geworfen – nur das es dieses Mal tatsächlich kalt ist. Dann noch die beiden Paddels rein, mich hinterher und ich versuche, sie übers Wasser neben mein Zelt zu bringen. Ich habs einfach lieber, wenn sie in der Nähe ist, so das ich bei Nacht nur kurz den Kopf aus dem Zelt strecken muss um zu sehen, ob alles okay ist. Außerdem ist die Stelle, an der ich sie ins Wasser geworfen habe kaum Windgeschützt – und noch bläst es recht ordentlich.

Kaum habe ich die Leinen gelöst, werde ich von der Strömung ergriffen und in den Hafen hinein getragen. Immerhin: Es geht in die richtige Richtung. Doch als ich parallel zum von mir angepeilten Platz bin, merke ich, das mein leichtes Alu-Paddel nicht ausreicht. Ich paddel mit alles Kraft, muss schon bald gegenan Arbeiten – und werde weiter weg getrieben. Etwas verzweifelt packe ich das viel schwerere Holzpaddel. Das Boot ist noch ausgesprochen Wacklig – ohne Schwert irgendwie logisch. Ob das fehlende Schwert und Ruder vielleicht auch was damit zutun hat, das BEA so gar keinen Kurs halten will? Bei jedem Paddelschlag macht sie anstallten sich um mindestens 180° zu drehen und ich muss schnell auf der anderen Seite zum Gegenschlag ausholen. Gemeldet waren 7bft – im Hafen wohl etwas weniger, trotzdem macht es, auch mit dem schweren und etwas größeren Holzpaddel keinen Spaß gegen an zu paddeln. Erstrecht nicht wenn das Boot bei jeder noch so kleinen Bewegung anfängt zu wackeln, als gäbe es dafür Preise.

Schließlich schaffe ich es und mache, eingeengt zwischen einer Motoryacht und einem großen Zweimaster fest. Dank der Boote ist diese Stelle wirklich gut geschützt.

Ist er nicht schön...?

Ist er nicht schön…?

Mittlerweile ist die Sonne dabei unterzugehen. Es ist ein wirklich schöner Sonnenuntergang. Doch ich möchte fertig werden und so beschränke ich mich auf gelegentliche, kurze Beobachtungen der untergehenden Sonne. Ich montiere den unteren Mastteil – den oberen Mastteil werde ich erst morgen, nachdem ich durch die Brücke durch bin aufbauen – sowie den Baum und das laufende Gut. Doch als aller erstes stecke ich das Schwert in den Schwertkasten und freue mich, mich sofort deutlich besser auf BEA bewegen zu können.

Immer wieder sehe ich zum Horizont und bewundere den Sonnenuntergang.

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So…

 

Sonnenauf- und Untergänge zu genießen – das habe ich mir vom letzten Törn auch zuhause bewahren können. Davor waren sie mir eigentlich nie sonderlich aufgefallen. Aber ist das Farbenspiel am Himmel nicht zum träumen?

...schön

…schön

Nach dem Sonnenuntergang gehe ich aufs Klo und fülle dort meine zwei 15 Liter Falt-Kanister auf, die ich gestern extra gekauft habe. 30 Liter Wasser – damit dürfte ich relativ unabhängig von Häfen sein. Bereits um sieben Uhr ist es dunkel und ich liege im Zelt. Es ist bemerkenswert, wie schnell es kühl wird, kaum ist die Sonne verschwunden.

Ich liege, in den Schlafsack gekuschelt, auf meiner Isomatte und mache mir Notizen für meinen Blog. Außerdem futtre ich Toast mit Schokocreme. Zum kochen bin ich heute einfach zu faul. Viel zu faul.

Meine Versuche, gelassen zu sein schlagen fehl. Ich mache mir Gedanken. Morgen sind, in Böen, bis 6 bft gemeldet. Das sind 2 bft mehr, als eigentlich für BEA gedacht. Und das mit dem reffen habe ich zwar getestet – aber in Ermangelung entsprechenden Windes eben nur bei schwächerem Wind. Wird es klappen? Ich bin mir sicher, das ich nicht gleich kentern werde – wenn das nicht direkt bei voll gehisstem Segel passiert, wird es auch bei einem gerefften nicht passieren. Aber kann ich bei dem Wind ordentlich segeln – und mich dabei sicher fühlen? Wenn nicht, was wird aus dem Törn? Zwar soll der Wind etwas weniger werden aber übermorgen, aber eben nur etwas. Und etwas… das ist eben nicht viel.

In der Theorie sprich alles dafür, das es klappt. Ich halbiere die Segelfläche etwa und spare mir den oberen Teil des Segels. Das ist doch was! Es muss funktionieren!

Aber was wenn nicht…? Was wird dann aus dem Törn auf den ich mich so gefreut hatte? So drauf freue? Ich WILL segeln!

Das ich zunächst auf dem Kanal sein werde ist tröstend – da bin ich noch etwas geschützter als auf den Seen. Wenn es nichts wird, muss ich eben gleich wieder anlegen. Aber ich will das es geht…

Um auf andere Gedanken zu kommen packe ich das Buch „Der Circle“ aus. Meine Eltern haben es mir zu Weihnachten geschenkt und ich habe es mir extra für den Törn aufgehoben. Wird Zeit, dass ich es lese. Kaum habe ich damit begonnen zieht es mich in Bann und ich verschwinde in die Welt des Buches. All meine Bedenken sind verschwunden und schließlich schlafe ich ein.

Mehr Fotos auf Flickr. KLICK

Alle Ereignisse in diesem Beitrag geschahen am 07. März 2015.

 

Und auf zum nächsten Teil… KLICK

Sebastian

2 Kommentare

  1. Hallo Sebastian,

    damit du nicht denkst, da draußen ist keiner, der Deinem Blog folgt…

    Du bist ja echt abgehärtet! Also ich trau mich mit meinem Minicat bei noch unter 15 Grad Wassertemperatur nicht auf den See raus. Hut ab.

    Freue mich schon auf die Fortsetzung…

    Liebe Grüße aus München

    Volkmar

    • Hallo Volkmar,
      danke für die netten Worte. 🙂
      Mit abgehärtet hat das aber leider ehr wenig zutun. Es ist vielmehr so, das ich nichtmehr ohne konnte… ich wollte Segeln. Und warme Kleidung hilft dabei nicht zu frieren 😉

      Liebe Grüße,
      Sebastian

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