Während sich die zwei Motorboote mir nähern bereite ich BEA zum anlegen vor. Viel ist nicht zutun – eigentlich muss ich nur die Leine fertig machen, einen Knoten lösen und gut ist. Und ein beim Anlegen bequemeres Boot als BEA kann es wohl nicht geben. Einfach ran fahren, das Ufer berühren, festmachen. Fertig. Wie hart man auftrifft ist ja letztlich egal – die Schläuche dämpfen vorzüglich.
Ich bin in Gedanken schon halb an Land als die Motorboote an mir vorbei brummen. Hinter sich ziehen sie einen ordentlichen Wellenschlag hinterher, schütteln uns kräftig durch. Gerade so schaffe ich es im Boot zu bleiben, ich hatte bereits gestanden und war kurz davor an Land überzusteigen. Einen Augenblick später, und ich wäre gefallen. Auch so ist es schwierig BEA halbwegs stabil zu halten, die hohen Wellen auf dem engen Kanal machen ihr zu schaffen. Schon längst liegen wir nicht mehr am Liegeplatz sondern sind wieder mitten auf dem Kanal, stark schaukelnd. Ich fluche, sehe wütend den Motorbootfahrern hinterher. Sowas ist ja schon im Sommer das letzte – im Winter echt gefährlich! Gerade noch mal gut gegangen. Da ist der Törn fast zu Ende, man war immer vorsichtig, hat oft gepaddelt um auch nur grenzwertigen Situationen zu entgehen. Und da wird man um ein Haar von ein paar Speed-Junkies um ein Haar ins Eiskalte Wasser geworfen!
Doch schon sind beide Boote draußen auf De Morra, ich mache BEA ohne weitere Zwischenfälle fest.
Glücklicherweise ist es hier so schön, schon bald sind die düsteren Gedanken verflogen.
Der Platz ist ebenso ungeschützt wie schön, doch das weiss ich bereits vom Anfang des Törns. Und so schlage ich noch bevor ich die Stangen aufrichte einen Hering in den Boden. Zwar sucht sich auch dieses Mal das Zelt aus in welche Richtung es ausgerichtet wird, aber ich muss nicht befürchten ihm hinterher rennen zu müssen.
Noch ist nicht Abend, ich habe Zeit. Außerdem mag ich mal sehen ob ich nicht mein Abendessen etwas aufpeppen kann. Und so geht es schon bald in Richtung Koudum. Die Sonne scheint, ich bin heute gesegelt. Ich bin glücklich.
Es tut gut mal wieder die Beine zu bewegen.
Zu Beginn des Törns kam Koudum ja nicht gut bei mir weg. Doch da bin ich auch nur von einer Baustelle zum Supermarkt gehechtet.
Dieses Mal nehme ich mir mehr Zeit, schlendere gemütlich durch den Ort. Es scheint mir im Vergleich mit den letzten Städten die ich besucht habe nicht touristisch zu sein. Sicherlich ist es nicht die schönste Stadt für einen Touristen. Aber es ist ruhig, sauber, es gibt einige Schöne Gebäude, die Menschen lächeln, es macht Spaß durch die Straßen zu irren. Erst will ich fragen wo ich den Supermarkt finde. Aber wofür? Ich habe doch Zeit! Also sehe ich mich einfach etwas um bis ich schließlich über einen stolpere. Neben ein paar anderen Sachen kaufe ich mir auch ein Radler. Ich habe zwar nichts gefunden was mich überzeugt hätte als Alternative zur Pasta als Abendessen. Aber das ist ja auch schon mal eine Abwechslung – so ein kühles Radler. Außerdem nähere ich mich ja dem Ende des Törns und da kann man doch mal zur Feier all der Dinge die ich erleben durfte ein Kühles köpfen – oder?
Auf dem Rückweg laufe ich eine ganze Zeit lang hinter zwei jungen Frauen hinterher. Nicht das ich ihnen folgen würde – nein, sie laufen einfach in genau die Richtung, in die ich laufe. Fröhlich unterhalten sie sich und dank des Windes komme ich nicht umhin sie zu hören. Irgendwie seltsam, zwei Frauen zu belauschen. Sicher, unabsichtlich. Trotzdem… Auch die Tatsache, das ich nichts verstehe macht es nicht wirklich besser. Wer weiß, vielleicht reden sie ja über etwas total privates. Nein, das ist falsch. Aber was soll ich machen? Der Weg führt nun mal direkt zu meinem Zelt und ich habe Hunger, will mein Abendessen kochen! Und ich müsste rennen um sie zu überholen. Oder aber stehenbleiben bis sie weit weg sind. Auch doof.
Plötzlich fällt mir etwas in der Ferne auf. Es scheint, als würde in der Nähe meines Zeltes noch ein Zelt stehen. Aber nein, das kann nicht sein. Zwei Zelte an einem Marrekrite-Platz im Winter – das ist zu verrückt um wahr zu sein. Also laufe ich weiter und höre wieder den beiden Frauen zu. Sie scheinen sich zu amüsieren, glücklich zu sein. Schöne Stimmen haben sie jedenfalls.
Ich schüttele den Kopf und sehe wieder in Richtung des Marrekrite-Platzes. Ist da nicht was?
Schnell nähere ich mich ihm, lege einen Zahn zu. Fast hätte ich noch die beiden Frauen überholt, doch dann bin ich am Ziel. Und tatsächlich: Ich bin hier nicht der einzige, der heute Nacht hier nächtigen will. Ich sehe ein Kanu – und ein Tarp!
Eine einfache Plane, vorne und hinten offen. Darunter eine Isomatte und ein Schlafsack. Ich dachte schon das meine Reise grenzwertig wäre – nur mit einem Zelt im Winter. Aber das hier… Das Tarp dürfte kaum Windschutz bieten, nicht in so einer exponierten Lage.
Aber wo ist der Kanut? Von ihm ist weit und breit nichts zu sehen.
Doch bin ich wohl hier heute nicht alleine – und ich habe mich Seit… ich fange an nachzudenken. Ja, ich habe mich schon viel zu lange nicht mehr gewaschen! Seit wann nur…
Jedenfalls nicht in Workum, nicht mitten in der Stadt. Und in Witmarsum bin ich früh morgens los, nein, da auch nicht. In Harlingen war ich mitten in der Stadt, da hatte ich auch nicht in den Kanal gewollt. Allerdings hatte ich da mal mein Gesicht gewaschen. Also hatte ich mich seit… ich bin erschrocken. Seit ich in Easterlittens war hatte ich mich nicht mehr richtig gewaschen. Und seit dem ist über eine Woche vergangen! Schnell geht es mit Handtuch und Biosteife zum Kanal. Das Wasser ist arschkalt, doch der aktuelle Zustand ist alles andere als akzeptabel. Ich muss doch inzwischen Stinken wie ein…
Obwohl ich anschließend am ganzen Körper zittere bin ich glücklich. Nachdem ich jetzt mehrere Lagen Scheiß und Dreck von mir abgewaschen habe fühle ich mich wie neu geboren. Das war mehr als nur überfällig. Man kann sich ja gerne mal zwei, drei Tage nicht waschen wenn man alleine auf Törn ist. Gar kein Thema. Und das ich nicht in den Städten in den Kanal springen wollte verstehe ich selbst ebenfalls sehr gut. Aber irgendwann hätte ich doch mal gemusst. Ein wunder das man mich nicht in jeder Stadt kurzerhand rausgeworfen hat!
Der Kanufahrer ist noch immer nicht da. Vielleicht auch gut das er mich nicht so getroffen hat. Spätestens seit den beiden Frauen die vor mir hergelaufen sind weis ich, das ich mal wieder etwas soziale Interaktion brauche. Einhand schön und gut – aber das hier wird langsam zu viel des Wahnsinns.
Doch der Kanut scheint in der Stadt zu sein und so koche ich für mich meine Pasta die ich, zusammen mit einem kühlen Radler genieße während ich zum Horizont sehe.
Die Sonne geht unter. Ein wunderschöner Sonnenuntergang, bei dem die Sonne den Himmel rot färbt. Wunderschön. Ich träume mit offenen Augen, genieße die Stille. Es ist so schön hier. So friedlich. Schade das ich schon kurz vor Warns bin. Lange wird der Törn nicht mehr dauern.
Doch schon verschwinden die Gedanken. Es ist so wunderschön hier. Traumhaft. Ich hole tief Luft, sauge die Atmosphäre förmlich in mich auf. Keine Spaziergänger und Gassi Geher laufen mehr an dem Liegeplatz vorbei. Ich bin alleine und doch auch nicht. BEA ist hier, leistet mir Gesellschaft. Viele Tiere und pflanzen sind die, allmählich machen sie sich dran aus dem Winterschlaf zu erwachen. Morgen ist der 20. März. Frühlingsanfang. Aber noch ist Winter. Und es ist wunderschön. Ich bin Glücklich.
Nichtsdestotrotz frage ich mich, als ich schließlich in meinen Schlafsack zurück ziehe um der eisigen Nacht zu entkommen, wer wohl der Kanut ist.
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Die Ereignisse in diesem Teil geschahen am 19.03.2015
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