Gestern noch hat mir ein Leser meines Blogs über Facebook einen Zahlencode mitgeteilt. Mit diesem Code kann ich das Schloss an seinen am Hafen abgestellten Fahrrädern öffnen – und somit eine Inseltour unternehmen.
Langeoog ist groß. Zu Fuß die ganze Insel zu erkunden würde viel Zeit kosten, mehr Zeit als ich hatte. Denn mein Plan sah nur noch wenige Stunden auf der Insel vor. Am Nachmittag wollte ich wieder die Leinen lösen und meinen Weg nach Westen fortsetzen.
Mit dem Fahrrad unterwegs zu sein ist mittlerweile für mich nichts mehr ungewöhnlich. Seit bereits einem Jahr war ich praktisch nur noch mit dem Rad unterwegs. Egal ob zur Arbeit, Einkaufen oder – als ich noch nicht an Bord gewohnt habe – zum Boot oder zur Wohnung, mein Fahrrad bringt mich hin. Autofahren habe ich nie übermäßig gemocht, dies war für mich verlorene Lebenszeit. Dass das Fahrrad fahren sicherlich einiges damit zu tun hatte, das ich innerhalb eines Jahres von 120 Kilo auf unter 90 Kilo abgenommen habe ist ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt.
Ein Faltrad habe ich allerdings nicht und verspüre kein übermäßiges Bedürfnis mir ein solches zuzulegen. Zumeist erkunde ich einfach die nähere Umgebung. Und das geht hervorragend zu Fuß. Langeoog ist dafür allerdings doch etwas zu groß. Und so hätte ich vermutlich große Teile der Insel unbeachtet gelassen, hätte man mir nicht ein Fahrrad geliehen.
So geht es nach einem reichhaltigen Frühstück an Land. Die Fahrräder sind schnell gefunden. Ich wähle eines aus, schließe den Rest wieder an und mache mich auf den Weg.
Die Landschaft ist recht eben und der Wind hilft. Natürlich ist mir bewusst das ich auf dem Rückwegen gegen eben diesen Wind antreten müssen würde, beschließe dies aber für den Augenblick zu verdrängen. Ich bin im Winter auch bei Sturm mit dem Rad gefahren – da schaffe ich das hier locker.
Während ich am Rande des Inselortes entlang radle fällt mir eine Bäckerei auf. Zwar habe ich schon gefrühstückt, ein Teilchen aber wäre doch was nettes. Ich habe gerade richtig Appetit darauf – und hey, ich bin im Urlaub.
Kaum habe ich angehalten und bin ins Innere gegangen kann ich mein Glück kaum fassen. Das hier ist nicht einfach irgend ein Backwarenverkauf – sondern eine richtige Bäckerei. Hinter der kleinen Theke sehe ich wie zahlreiche Bäcker munter an der Arbeit sind. Teig wird geknetet, Gebäck in die Öfen geschoben und heraus genommen. Hier wird vor Ort gebacken. Gut, ich glaube es handelt sich um eine Kette auf der Insel – selbst für so etwas ist Langeoog groß genug. Trotzdem, zu sehen wie hier gebacken wird, dies ist definitiv etwas das man nicht mehr an vielen Orten kann. Schließlich verlasse ich die Bäckerei mit einem leckeren Teilchen das ich auch sogleich verspeise. Mein Ursprünglicher Plan, es als Snack ans andere Ende der Insel mitzunehmen überlebt den köstlichen Geruch nicht.
Während ich gemütlich nach Osten über die Insel rolle begegnen mir nur wenige Menschen. Hin und wieder sehe ich Jugendgruppen die unterwegs sind, ansonsten bin ich alleine. Langeoog ist groß, an vielen Stellen könnte man vergessen das man hier auf einer Insel ist. Trotzdem hat sie etwas Inselartiges. Es mag nicht so greifbar und allgegenwärtig sein wie auf Spiekeroog oder gar Neuwerk. Aber es ist da, hängt in der Luft und durchdring die Landschaft auf eine eigenartige Weise.
Links und Rechts des Weges bewegen sich zahlreiche Tiere. Immer wieder bleibe ich stehen, mache Fotos nicht nur von ihnen sondern auch von der Landschaft. Neben „normalen“ Kühen und Rindern sehe ich auch zahlreiche Rindtiere irgend einer speziellen Rasse. Sie haben langes, zotteliges Haar, sehen besonders knuddelig aus. Zwischen ihren Weiden finden sich auch immer wieder Weiden mit ein paar wenigen Pferden. Die Tiere hier haben sehr viel Platz, eine große Bewegungsfreiheit. Es gibt für ein Tier sicherlich viele schlechtere Orte als hier um zu leben.
Zwischen Pferden und Rindern fallen auch die zahlreichen gefiederten Tiere ins Auge. Besonders Gänse scheint es hier einige zu geben. Oder bilde ich mir dies nur ein?
Als plötzlich die Meierei vor mir auftaucht muss ich an eine Empfehlung meiner Leser denken. Hier soll es etwas leckeres geben. Doch nach Frückstück und Teilchen bin ich mehr als vollgefressen. Und so radle ich einfach weiter, nicht aber ohne ein paar Fotos zu schießen. Das hier ist schon deutlich Inselartiges als die Kleinstadt am Westende der Insel. Ich komme nicht umhin mich zu fragen wie es wohl sein mag hier zu leben. Und wie groß der Unterschied für die Einheimischen zwischen der Meierei und dem eigentlichen Ort sein mag. Immerhin, beide sind sie von hohen Deichen geschützt.
Schließlich, schon bald hinter der Meierei, drehe ich um. Hier irgendwo ist das Ostende der Insel. Ich mag allmählich zurück. Denn noch ein weiterer Programmpunkt steht auf meiner Liste, ich mag mir noch etwas besorgen. Mein Vater hat eine fürchterliche Idee in meinen Kopf gepflanzt. Und auch wenn ich selbst noch nicht so ganz daran glaube, es wäre nett für den unwahrscheinlichen Fall vorbereitet zu sein. Seine Idee: Ich könne ja einen kurzen Abstecher von Ostfriesland in die Niederlande machen. Nichts großes. Ja, ist klar. Nein, meine Planung für diesen Urlaub sah ganz klar Ostfriesland vor. Ich hatte die Niederlande nicht angepeilt, würde mit Sicherheit nicht dort hin segeln. Sollte es aber aus irgend einem Grund doch dazu kommen, vielleicht ein Abstecher auf der Ems nach Delfzijl, dann wäre es doch nett eine Gastlandflagge zu haben. Einfach nur in der Hinterhand, für den Fall der Fälle. Brauchen würde ich sie nicht, da war ich mir sicher. Aber – nun, als Segler konnte es doch nicht schaden auch auf unwahrscheinliche Fälle vorbereitet zu sein.
Und so biege ich schließlich rechts ab und halte auf die Ortschaft zu statt mich Links in Richtung des Hafens zu halten.
Die Ortschaft, eine richtige Kleinstadt, war kaum wiederzuerkennen. Jetzt, am fortgeschrittenen Vormittag, waren unzählige Menschen auf den Straßen unterwegs, eilten von Cafe zu Cafe, von Restaurant zu Restaurant, von Geschäft zu Geschäft.
Es schien als gäbe es Geschäfte für praktisch alles. Kleidung, Schuhe, Lebensmittel – und ganz viel Krimskrams. Einen Bootsausrüster kann ich allerdings nicht finden.
Nun – dies soll nicht das Problem sein. Eine richtige „Gastlandflagge“ brauche ich nicht. Nur irgend ein Stück Stoff mit den richtigen Farben. Den Rest kann ich auch selbst basteln. Es wird in einem der Geschäfte doch sicherlich ein kleine Niederlandefahne geben. Und sei es auch nur für die Niederländischen Touristen um sie… nun, ich weiß nicht was man auf Langeoog mit einer Niederländischen Flagge anfangen können sollte. Doch solange es eine Gäbe konnte mir dies eigentlich auch egal sein.
Vor einem Geschäft voll Maritimen Krimskrams, Strandspielzeug und Andenken schließe ich das Fahrrad an und gehe ins innere. Sehe mich um. Deutschlandfahnen, Piratenflaggen und noch einige mehr gibt es hier in rauen Massen. Und natürlich unmengen an für mich gräslichem Krimskrams. Was soll man damit? Der einzige Nutzen des meisten Krams in diesem Laden war es, regelmäßig abgestaubt zu werden. Wer hatt die Zeit und mehr noch: Die Lust so etwas zu tun?
Ich ermahne mich streng. Auch ich hatte bis vor nicht all zu langer Zeit viel Kram herumstehen den ich nicht brauchte. Nur weil ich das mit dem Abstauben nicht ganz so ernst genommen habe war das auch nicht viel „besser“. Und wenn sich jemand damit wohler fühlt: Warum nicht?
Letztlich frage ich den Verkäufer, kann ich von mir aus keine Niederlandefahne entdecken. Kein Wunder: So etwas hat er mich. Und wüsste auch nicht wo ich eine finden könnte.
Also wird das Schloss geöffnet, ich rolle das Rad ein paar Meter weiter, schließe es an und gehe ins innere des nächsten Geschäftes.
Diese Prozedur wiederhole ich einige Male, nur um jedes Mal etwas Hoffnungsloser aus den Geschäften zu kommen. Und schließlich aufzugeben. Auf Langeoog mag es ja sehr vieles geben. Eine Niederlangeflagge gehört aber offensichtlich nicht dafür.
Der Fairnisshalber sei gesagt: Bis heute wüsste ich nicht, wofür man eine solche auf der deutschen Nordseeinsel Langeoog verkaufen sollte. Die einzige denkbare Zielgruppe wären wohl niederländische Touristen die ihre Staatsbürgerschaft kundtun wollten. Doch: Hätten diese nicht selbst entsprechende Fahnen dabei?
Nein, eine echte Zielgruppe mag mir nicht einfallen. Und da ich ja sowieso nicht glaube oder gar plane dieses Jahr in die Niederlande zu segeln gebe ich schließlich meine Suche auf. Ich springe noch schnell in einen Supermarkt und kaufe ein Brötchen fürs Mittagessen, dann geht es auf dem Fahrrad zurück in Richtung Hafen. Noch schnell das Schloss verschließen, dann bin ich wieder Fußgänger.
An Bord esse ich das Brötchen, plane den kommenden Schlag. Ablegen werde ich wohl gegen halb zwei. Vor mir liegt schon bald das nächste Wattenhoch und ich brauche genug Wasser um darüber zu kommen. Noch ist es dafür schlicht zu früh.
Kurz erwäge ich die Zeit bis zum Ablegen an Bord tot zu schlagen, entscheide mich dann aber dagegen. Ich hab noch etwas Zeit auf Langeoog. Warum sollte ich diese nicht nutzen?
Gestern habe ich hier ganz in der Nähe einen hübschen Pfad in Richtung Naturschutzgebiet gesehen. Es war bereits zu dunkel um ihn zu erkunden – das ist jetzt anders.
Und so schließe ich kurzerhand Bea Orca ab und mache mich zu Fuß auf den Weg.
Außerhalb der Ortschaft ist Langeoog überraschend ruhig, jedenfalls zu dieser Zeit im Jahr. Ich habe den Weg die meiste Zeit für mich alleine, kann die Natur um mich herum ungestört genießen.
Die dominierende Farbe der Insel ist eindeutig grün. Fast überall endecke ich Weiden, besiedelt von Kühe
n und Pferden. Eine idylische, große, grüne Insel. Das scheint mir Langeoog zu sein. Ja, die Ortscchaft hat etwas städtisches. Und vielerorts ist es einfach zu vergessen das man gerade auf einer Insel ist. Sie ist eben groß. Trotzdem, kommt man ein Stück raus und atmet tief ein, dann spürt man es mit jeder Zelle des Körpers. Man ist auf einer Insel. Und einer schönen!
Auf dem Weg zurück zum Boot sehe ich auch endlich die Inselbahn in Bewegung. Sie fährt gerade auf die Haltstelle am Hafen zu als ich mich eben diesem nähere. Ein alter Zug der doch noch immer seine Arbeit macht. Wie viel Aufwand es wohl gewesen sein Muss diesen Zug und die Anhänger auf die Insel zu bringen?
Schließlich sitze ich wieder an Bord. Bald wird es los gehen. Es weht ein kräftiger Westwind. Genau aus der Richtung, in die ich will. Noch bin ich nicht bereit nach Osten zu segeln. Wie weit ich kommen werde? Ich weiß es noch nicht. Vielleicht nur bis Baltrum, vielleicht auch nach Norderney. Vielleicht ankere ich dann im Riffgatt – oder ich gehe in den Hafen. An Juist glaube ich nicht. Der Hafen fällt recht hoch trocken, da fehlt mir die Zeit. Angeblich gibt es einen sehr schönen Ankerplatz nahe unter der Insel, einen der wenigen von denen aus man gar zur Insel kommt. Ich habe ihn sogar auf der Karte finden können. Dummerweiße liegt er in Zone eins. Ob dies der Segler von dem ich den Tipp habe bewusst ignoriert, nicht bemerkt hat oder ob er schlicht einen anderen meinte weiß ich nicht. Für mich ist es in jedem Fall keine Option.
Nein, zur Wahl stehen die Häfen von Baltrum und Norderney oder der Ankerplatz im Riffgatt. Was es davon wird – das werde ich unterwegs entscheiden, dann wenn ich weiß wie gut ich voran komme.
Endlich ist es so weit. Kurz vor halb zwei werfe ich den Dieselmotor an und löse die Leinen.
Langeoog. Eine Unerwartet schöne Insel. Wahrt ihr schonmal auf der Insel? Wenn ja, wie war euer Erlebnis? Lasst es mich in den Kommentaren wissen!
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