Grau, nass und kalt. So könnte man die Sturmtage in Lauwersoog guten Gewissens beschreiben. Aber auch gesellig, lustig und interessant. Denn ich verbrachte sie glücklicherweise nicht alleine. Am 06.06. hatte der Laden mit Bootszubehör wieder geöffnet. Und so war die Priorität klar: Eine Schraube wollte besorgt werden. Immerhin war es diese fehlende Schraube wegen der ich hier und nicht auf einer deutschen Nordseeinsel lag. Der Bootsausrüster mochte mich nicht so gänzlich überzeugen. Mehr ein Schiffs- denn ein Bootsausrüster war er größtenteils für die Bedürfnisse der Berufsschiffahrt ausgelegt, nicht die der Freizeitsegler wie ich einer bin. Und was die Schraube betrifft: Zwar fand sich, auch mit Hilfe der befreundeten Segler recht zügig das passende Regal, doch die passende Schraube existiert einfach nicht. Die einen sind zu schmal, die nächsten zu breit, die dritten zu kurz. Es ist zum verzweifeln. Was bringt mir eine Schraube die so dünn ist, das ich die Klampe von ihr abziehen könnte? Oder eine die ich nicht rein bekomme? Und wenn doch, die so kurz ist das sie unten aus der Klampe nicht heraus kommt?
Schließlich kommt die Hilfe von dem befreundeten Segler. Geht die Ideallösung nicht, dann muss man eben improvisieren. Heißt in diesem Fall: Statt eine Schraube durch eine Mutter zu sichern bohren wir sie eben in ein festes Stück Holz. Dieses hat er sogar noch an Bord – fehlt nur noch die Schraube. Und hier gibt es eine die dafür lang und breit genug ist – aber auch nicht zu breit oder lang.
Trotz stöbern in den Regalen lässt sich sonst nichts anderes finden und wir sind alsbald wieder zurück im Hafen. Bewaffnet mit dem Holz und der Schraube begebe ich mich auf Bea Orca. Die Klampe genau dort anzubringen wo sie zuvor war ist so hier nicht möglich. Ein Voreigner oder gar die Werft hat es hier mit der Befestigung sehr großzügig genommen. Die Schraube wurde nicht nur einfach durchgesteckt und festgeschraubt sondern auch gleich komplett mit einlaminiert. An einer Stelle die man nicht einsehen kann. Und was das dran kommen betrifft, nun: Bootseigner werden es kennen. Überhaupt nicht gut. Die Einfachste Methode diese Schraube hier und jetzt heraus zu bekommen wäre wohl sie auszubohren. Aber geschätzt fünf bis sechs Zentimeter Stahlschraube mit einem kleinen Akkubohrer ausbohren? Nicht wenn es nicht sein muss. Und mit dem Holz gibt es ja ach eine einfache Alternative. Ich versetze die Klampe ein Stück nach hinten. Durch das Holzstück wird der Druck bei Belastung auch hier auf eine größere Fläche verteilt.
Und so setze ich an und beginne zu bohren. Die Schraube greift – und bleibt stehen. Auch mit Druck auf den Bohrer und langsamer Drehzahl, sie will nicht weiter rein. Dafür wird der Kopfkreuzschlitz zunehmend zu einem Kegel, der Schraubenzieher am Akkubohrer zu einem Bohrkern. Schließlich, gerade rechtzeitig bevor der gesamte Kopf ausgefranst ist, stelle ich den Antrieb um und ziehe die Schraube wieder raus. Die ist hinüber, unbrauchbar, kaputt. Da wird auch nichts mehr im Kopf halten.
Hilfesuchend wende ich mich an die anderen Segler. Handwerkliches ist einfach nicht mein Fachgebiet. Davon habe ich keine Ahnung. Wo war mein Fehler? Im Grunde ist etwas festschrauben doch einfach: Schraube ansetzen und schrauben. Mit dem Akkubohrer braucht es sogar nur wenig Kraft und geht schnell.
Doch im Gespräch wird der Fehler recht schnell klar: Natürlich, so ein Laminat ist ja durchaus etwas massives. Und eben stabiler als das vergleichsweise weiche Metall des Schraubenkopfes. Und so war die benötigte Kraft zum Schrauben zu groß, der Kopf wurde zerstört. Die Lösung lag auf der Hand, war denkbar einfach: Vorbohren. Mit dem passenden Bohrer kein Problem – und den habe ich. Zuvor musste aber eine neue Schraube beim Schiffsausrüster besorgt werden, sonst würde mir die Bohrung nichts bringen.
Dann war es bald geschafft, die Klampe saß wieder fest auf ihrer Position.
Lauwersoog, dann auch noch bei schlechtem Wetter, ist nicht wirklich interessant. Es gibt einen Campingplatz mit dem üblichen, dazugehörigen Supermarkt (überschaubare Auswahl zu erhöhten Preisen), ein paar Restaurants, den Schiffsausrüster und…. Sonst praktisch nichts. Der nahe Nationalpark wäre bei gutem Wetter sicherlich einen Besuch Wert, bei Sturm und regelmäßigem Regen aber uninteressant. Den größten Teil der Zeit verbrachte ich unter Deck, lesend und Musik hörend. Für Abwechslung sorgten die Abende mit den befreundeten Seglern, einmal bei mir, einmal bei ihnen. Doch trotz der netten Gesellschaft zeigten sich bereits am ersten Tage Anzeichen von Hafenkoller.
Hier gab es einfach nichts. Es wäre wohl schwer einen uninteressanteren Ort für Sturmtage zu finden! Dokkum wäre schön gewesen. Oder alternativ, die Staande-Mast-Route weiter bis Groningen. Das hätte ich doch noch geschafft und in Groningen sicherlich auch eine Schraube gefunden. Andererseits, ich freue mich über das Treffen. Und obgleich die See bei einem Spaziergang nicht übermäßig wild erschien, bei der geringen Tiefe des Wattenmeers verständlich, hätte es mich doch deutlich schlimmer treffen können. Denn der Spuk dauerte nur zwei Tage und ich war nicht alleine. So gab es immer wieder Lichtblicke und es wurde am Ende doch noch eine schöne Zeit – auch wenn ich hoffe nie wieder Sturmtage in Lauwersoog zu erleben.
Am zweiten Abend ging es an die Törnplanung. Für den nächsten Tag war ein strammer aber auch guter Segelwind aus Westen angemeldet. Für den Schlag zurück nach Deutschland perfekt. Lange überlegte ich. Außen herum? Oder doch übers Watt? Außen herum würde bedeuten die weite, offene See genießen. Übers Watt war dafür ein für mich neuer, unbekannter Weg. Beides hätte seine Reize. Was also tun?
Doch am Ende wurden meine und die Pläne der anderen Segler vom Deutschen Wetterdienst gestört. Denn dieser meldete für den nächsten Tag gleich zwei gute Gründe um auf das Seesegeln zu verzichten. Für die Deutsche Bucht war da die Rede von einer fünf Meter hohen Restwelle. Da werde ich mich mit meinen zweiundzwanzig Füßen hüten raus zu segeln. Und zum anderen war da eine ernste Gewitterwarnung für das gesamte Seegebiet, ebenfalls mit kräftigen Böen bewaffnet. Zwar mag das Wattenmeer auch bei solchem Wetter noch verhältnismäßig viel Sicherheit bieten, mir war das dann aber doch zu haaren. Auch sieben bis acht Windstärken wollte ich nicht erleben. Selbst nicht im Watt. Noch ahnte ich nicht, das ich da bald keine andere Wahl haben würde…
Schließlich stand mein Plan fest: Ich würde weiter über die Kanäle fahren. Mein Ziel für den nächsten Tag war Delfzijl – oder zumindest so weit wie möglich zu kommen. Wobei ich hoffte zumindest einen kurzen Blick auf Groningen werfen zu können. Ob es mir gelingen würde?
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