Willkommen auf Helgoland

Knock, Knock, Knock.

Erschrocken schrecke ich hoch. Es ist gerade acht Uhr. Für gewöhnlich keine Uhrzeit um die man mich aus dem tiefen Schlaf reißen könnte. Doch heute ist dies anders. Vor gerade einmal sechs Stunden bin ich hier, auf Helgoland angekommen. Auch wenn ich nach dem Anlegen nicht mehr alt wurde, ich bin definitiv noch nicht ausgeschlafen. Besonders in Anbetracht des langen Segeltages gestern. Einundfünfzig Seemeilen, dafür war ich vierzehn Stunden an der Pinne. Wirklich schön. Aber eben auch anstrengend.

Knock, knock, knock.

Verschlafen stehe ich auf, ziehe mir ein T-Shirt über und strecke den Kopf aus dem Steckschott.

„Guten Morgen, hier darf man nicht liegen“, begrüßt mich eine Frau auf dem Steg. Sie ist vom Hafenamt und weißt auf ein großes Schild. Tatsächlich, dort steht es. Anlegen verboten.

Entschuldigend zucke ich mit den Schultern.

„Tut mir leid. Ich bin heute Morgen um zwei Uhr angekommen, da muss ich das übersehen haben. Bin zum ersten Mal hier. Aber ich verhole sofort“, erkläre ich mein Verhalten.

Schon deutlich versöhnlicher lächelt sie mich an.

„Ich glaube der da“, sie weißt auf einen Multi der gleich neben mir liegt, ebenfalls ein ehr kleines Boot und somit berechtigt hier hinten, auf den Liegeplätzen für Kleinkreuzer zu liegen, „legt demnächst ab. Warte kurz, ich frage noch einmal nach.“

Keine Minute später steht sie wieder vor mir.

„Neun Uhr dreißig will er los. Danach kannst du ja verholen.“

Sie verabschiedet sich und lege mich noch einmal hin. Schnell noch den Wecker auf halb zehn gestellt, dann klappen meine Augen erneut zu. Ein letztes Schlummerstündchen will ich genießen.

Pünktlich um halb zehn stehe ich auf, ziehe mit Hose und T-Shirt an und begebe mich ins Cockpit. Der Trimaran legt gerade ab. Nachdem er weg ich springe ich auf den Steg, löse die Leinen und ziehe Bea Orca ein Stück weiter nach hinten bis sie richtig liegt. Gut. Hier dürfen wir bleiben. Und das werden wir – denn für morgen ist büschen viel Wind gemeldet.

Kaum liegt Bea Orca auf ihrem neuen Platz bette ich mein Haupt ein drittes Mal auf meiner Koje, dieses Mal allerdings wirklich nur noch für ein letztes Nickerchen. Um zehn Uhr stehe ich tatsächlich auf, Packe meine Sachen und begebe mich zum Hafenamt. Und ja, Hafenamt ist die richtige Bezeichnung. Ich liege hier in einem staatlichen Hafen, dies ist weder eine gewerbliche Marina noch ein Verein. Entsprechend ist nicht der Hafenmeister oder ein Vereinsmitglied sondern das Hafenamt für das Eintreiben der Liegegebühren zuständig.

Ich entschuldige mich noch einmal für mein Versehen doch die Hafenbeamtin winkt ab. Alles gut, passiert. Sie stellt mir eine Reihe von Fragen – Bootsname, Woher, wohin, Bootsgröße, Ankunftszeit, bis wann ich bleibe…

Alles in allem kann man sagen: Für ein Amt läuft es erstaunlich zügig ab. Trotzdem merkt man das hier deutlich mehr Angaben gewünscht sind als die meisten Hafenmeister abfragen. Ich wurde noch nie gefragt was der nächste geplante Hafen ist. Und wenn doch höchstens aus Neugierde – nicht weil es für die Unterlagen benötigt wird.

Erfreut erfahre ich das ich für die erste Nacht nicht bezahlen muss. Ich bin mit ein Uhr fünfzig ganz klar nach Mitternacht angekommen. Also heute. Und so zählt die Nacht nicht. Für die zwei Nächte die ich mindestens bleiben werde bezahle ich achtzehn Euro.

Dann geht es endlich zum Bäcker, Frühstücksbrötchen kaufen. Ich habe es geschafft, bin mit Bea Orca nach Helgoland gekommen. Seit eineinhalb Jahren wohne ich in Cuxhaven, könnte somit praktisch täglich auf die Fähre steigen. Eine Tagesfahrt würde mich 46 Euro kosten. Und ich wollte durchaus mal nach Helgoland.

Doch wie schon mit Neuwerk so war es auch mit Helgoland: Ich wollte nicht mit der Fähre dort hin. Nein, ich wollte die Insel für mich erobern. Indem ich dort auf eigenem Kiel ankomme.

Bereits auf dem Weg zum Bäcker blicke ich wie verliebt hinaus zur Nordsee. So schön liegt sie da. Bei wenig Wind und blauer Sonne ist sie ruhig und Türkis. Fast möchte man sich in südlicheren Gefilden meinen. Warm prickelt es auf der Haut. Es ist Hochsommer. Noch weiß ich nicht das dies einer der schönsten Tage des gesamten Sommers sein würde. Blauer Himmel, fünfundzwanzig Grad Lufttemperatur, wenig Wind. Für einen Inseltag nahezu perfekt.

Zwischen Helgoland und Düne liegen mehrere Fähren auf Reede, die Gäste werden ausgebootet. Ein faszinierendes Schauspiel.

Schon bald finde ich den Inselbäcker – dem Smartphone sei gedankt. Wieder einmal frage ich mich ob das mobile Internet auf Reisen ein Gewinn oder ein Verlust ist? Es ist einfach, unkompliziert. Und für mich als schüchternen Menschen auch deutlich angenehmer mal eben im Internet nachzusehen wo es einen Bäcker gibt denn selbst zu suchen.

Andererseits hätte ich ansonsten sicher gefragt. Die anderen Segler im Hafen, im Hafenamt oder einfach einen der Menschen auf der Straße. Wäre möglicherweise in ein Gespräch verwickelt worden, hätte jemand neues kennengelernt. Oder zumindest ein paar Worte mit einem anderen Menschen gewechselt.

Doch es ist wie es ist. Lange habe ich mich gegen Smartphones gesträubt, hatte keines. Doch jetzt wo ich eines habe mag ich es nicht mehr missen. Verrückt.

Zurück an Bord genehmige ich mir ein gemütliches Frühstück. Die Brötchen schmecken wirklich gut. Oder ist es eine Mischung aus Glücksgefühl hier zu sein und Müdigkeit?

Denn Müde bin ich noch immer. Und so lege ich mich schon wieder hin als ich fertig gefrühstückt habe. Jetzt, wo ich meine Bringschuld, die Liegegebühren bezahlt habe kann ich guten Gewissens noch ein Ründchen schlafen.

Und so sollte es erst um zwölf Uhr Mittag soweit sein das ich aufbreche, diesen Felsen mitten in der Nordsee zu erkunden. Nicht ahnend das ich hier irgendwann würde öfters hinfahren, ja gar die Fähre besteigen würde um hier her zu kommen.

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Sebastian

2 Kommentare

  1. Ein Tipp für Helgoland Entdecker: Quittung vom Hafenamt unbedingt behalten. Habe erlebt dass beim nächsten Besuch behauptet wurde ich hätte noch Schulden.Dem war aber nicht so und ich konnte es beweisen(Eine Mitarbeiterin hat sich tagsdarauf an meine Zahlung erinnert)
    Gruss René

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