Von Schilf, Wasser und zwei Langfahrtseglern

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Ich finde mich auf einem gemütlichen Fluss wieder. Der Flutstrom schiebt uns langsam Flussaufwärts. Auf einer Seite liegt der Deich, saftig grün. Auf der anderen wachsen Bäume, ich segle an einem Wald vorbei. Doch dann lässt der Wind stark nach. Außerdem liegt die Brücke nur noch etwa einhundert Meter voraus – ich werfe den Diesel an. Die Ampel springt auf rot-grün, die Brücke beginnt sich zu öffnen. Ohne Gas zu geben näheren wir uns der Brücke. Kaum ist die Ampel auf Grün umgesprungen lege ich den Vorwärtsgang ein und fahre durch. Während sich hinter mir die Brücke schließt schalte ich die Maschine ab und rolle dafür die Genua komplett aus. Und so reicht der Wind um mit einem flotten Raumschotkurs die Oste hoch zu segeln. Schon auf Höhe von Neuhaus stehe ich wieder auf dem Vorschiff, um auch aus dem Großsegel ein Reff auszubinden. Ich habe nur noch begrenzt Zeit.

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Mein Ziel ist Oberndorf – und wenn ich dort noch hin kommen will muss ich mich ran halten. Doch zunächst genieße ich die Landschaft die mich umgibt. Vor und hinter mir erstreckt sich der Fluss. Ruhig liegt der da. Gesäumt wird er von hohem, saftig-grünem Schilf. Ein mir gut bekanntes Bild, der Anblick erinnert mich stark an meine Törns in Friesland. Doch eines ist anders: Ich kann nun tatsächlich über das Schilf sehen! Und so erblicke ich zum ersten mal das Weideland, bestückt mit schwarz-weiß gefleckten Kühen die gleich hinter der Schilfwand weiden. Wo keine Kühe weiden sehe ich Schafe und Pferde. Unterbrochen wird das Weideland von Baumgruppen, kleinen Wäldern.

Doch einfach nur die Landschaft genießen kann ich nicht. Denn der Fluss ist zwar tief, nicht aber übermäßig breit. Will ich nicht im Schilf landen muss ich aufpassen und den Kurs genau halten. Doch auch dies macht Spaß, ich freue mich riesig. Bei der Einfahrt in die Oste war ich mir nicht sicher gewesen, ob das hier ohne zu motoren kann. Immerhin hatte ich in Friesland auf den Kanälen praktisch nur Boote unter Motor gesehen.

Schon bald erreiche ich die nächste Brücke. Eine Telefonnummer habe ich nicht, doch meines Wissens sollten auch zwei lange Schallsignale helfen. Aber… erschrocken sehe ich mich um. Die Tröte liegt unter deck! Hier, auf dem engen Fluss ist es mir unmöglich sie hoch zu holen.

Kurzerhand zucke ich mit den Schultern, hole tief Luft und stoße mit dem Mund zwei lange, laute Töne aus. Vielleicht hilft es ja.

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Hinter der Brücke finde ich mich wieder auf dem Vorschiff wieder. Ich hole das Großsegel ein. Dann springe ich zur Pinne um dem nur noch wenige Meter entfernten Ufer auszuweichen. Wieder in der Mitte des Flusses klettere ich erneut aufs Vorschiff um den Motorkegel zu hissen. Nun läuft der Diesel mit und sorgt für rund vier Knoten über Grund.

Auch wenn ich lieber das leise Glucksen des Rumpfes wenn er sich durchs Wasser schiebt mag: Sooo laut ist meine Maschine auch nicht. Und ohne sie würde ich nicht rechtzeitig nach Oberndorf kommen. Die Brücke öffnet nur bis 19.00 Uhr – komme ich erst später an, so schaffe ich es nicht mehr durch.

Seit ich auf der Oste bin navigiere ich nur noch mit dem Tablett. Denn für die Oste habe ich keine Papierkarte. Prinzipiell ginge es wohl sogar ohne jede Seekarte. Der komplette Fluss ist tief genug und Abzweigungen gibt es praktisch nicht. Trotzdem muss ich mich immer wieder darum kümmern, denn alle paar Minuten verliert das Tablett sein GPS-Signal. Woran das liegt kann ich auf die schnelle nicht erkennen. Seltsam daran ist, das es bis zur Ostemündung den gesamten Törn genau aufgezeichnet hat. Die Lösung ist allerdings auch recht simple: Ich muss einfach kurz das Signal aus- und wieder anschalten.

Schließlich, es ist gerade kurz vor sieben, erreiche ich Oberndorf. Der Steg vor der Brücke ist voll belegt, doch ich sehe auf der anderen Seite ein, zwei freie Plätze. Und so gebe ich erneut zwei lange, laute Töne von mir. Für den Rückweg muss ich unbedingt das Signalhorn bereit legen.

Der Brückenwärter verlässt, ich bin noch etwa fünfzig Meter entfernt, sein Häuschen und fragt mich, ob ich durch die Brücke mag. Anschließend beginnt sich die Brücke zu öffnen. Gähnend langsam öffnet sie sich und ich nehme jegliches Gas weg. Doch noch immer schiebt der Flutstrom und so nähern wir uns viel zu schnell der Brücke. Vorsichtig lege ich den Rückwärtsgang ein, versuche abzubremsen. Doch es ist bereits zu spät, ich befinde mich auf den letzten Metern, die ersten Pfeiler im Wasser sind schon neben mir. Sofort gebe ich Gas und reise an der Pinne. So gelingt es mir abzudrehen und zwischen den Pfählen hindurch zu fahren. Von der Brücke aus ruft jemand meinen Namen während sich Bea Orca haarscharf an einem Pfeiler vorbei schiebt. Verdammt. Muss das sein? Der Tag ist so gut gelaufen – und ausgerechnet jetzt, wo etwas nicht ganz geklappt hat muss mich jemand erkennen?

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Ich grüße kurz zurück, konzentriere mich dann aber lieber aufs steuern. Nun ich auch die Brücke weit genug geöffnet und ich fahre hindurch. Kaum auf der anderen Seite beginnt sie auch schon wieder sich zu schließen. Voraus auf der linken Seite sehe ich ganz klar die freien Liegeplätze. Allerdings sind sie mir roten Schildern gekennzeichnet – da kann ich nicht bleiben! Von der Brücke höre ich, ich solle umdrehen, könne auf der anderen Seite ins Päckchen kommen. Doch die Brücke ist schon wieder zu und an Bord der Maverick too (www.zu-zweit-auf-see.de) stehen bereits Johannes und Cati bereit. Ich soll ins Päckchen kommen. Die Fender hängen draußen und ich steuere sie an. Das anlegen ist unglaublich einfach. Kein wunder – denn abgesehen von Ansteuern muss ich praktisch nichts machen. Die Leinen werden gepackt und belegt, alles geht so schnell das ich gar nicht mehr richtig mit komme. Ich bin noch dabei klar Schiff zu machen als mir ein kaltes Bier in die Hand gedrückt wird. Kurz darauf kommt der Mann von der Brücke. Jetzt, aus der Nähe kommt mir das Gesicht bekannt vor. Es ist ein User des Segeln-Forums den ich bereits im Winter auf einem Treffen getroffen hatte.

Kaum an Land bekomme ich eine Bratwurst. Vor mir liegt ein gemütlicher Abend, im laufe dessen ich auch zum ersten Mal jemandem mein Boot zeigen kann. Und sie trifft auf Begeisterung!

Später, kurz bevor es dafür zu dunkel ist, mache ich mich auf für einen kleinen Spaziergang durch den Ort.

Der Tag endet, wie ich es schon von meinen Törns mit BEA gewohnt bin, mit Logbuch schreiben.

Ich bin wieder unterwegs.

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Die Ereignisse in diesem Beitrag geschahen am 06.08.2016.

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Sebastian

2 Kommentare

    • Danke, werde mir den Link mal ansehen. Nur… Ich hab einen Pinnenpiloten. Der liegt allerdings gut verstaut im schapp in der Kajüte… 😀
      Mal sehen, bin das Wochenende ja unterwegs. Vlt teste ich ihn ja. Wobei mein traum noch immer eine windsteueranlage ist…
      Grüße,
      Sebastian

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