Kaum wach ziehe ich mich an und schleiche über Maverick in den Ort. Auch wenn ich nicht wirklich dran glaube hoffe ich einen Sonntagsbäcker zu finden um ein paar Brötchen zu kaufen. Ich schlendere ein wenig zwischen den Backsteinhäusern umher als mir plötzlich ein Mann in einer Seitengasse auffällt. Unter seinem Arm: Eine Brötchentüte!
Sofort ändere ich die Richtung und nehme Kurs auf das Gebäude neben ihm. „Lotto“ steht dort dran. Eine Bäckerei mit einer Lotterie? Schnell wird klar, das es eher eine Lottofiliale mit einer kleinen Backtheke ist. Doch ich mag mich nicht beschweren und erstehe ein normales und ein Rosienenbrötchen. Zurück an Bord stelle ich meinen Cockpittisch auf und beginne zu frühstücken. Zwischendurch lese ich ein wenig, eilig habe ich es nicht. Die Brücke öffnet nicht vor 10.00 Uhr, bis dahin kann ich ganz gemütlich herum bummeln. Doch kaum ist zehn Uhr mache ich mich auf und sehe nach ob der Brückenwärter da ist. Alles gut – und so mache ich Bea Orca fertig zum ablegen.
Johannes und Cati lösen die Leinen und weg bin ich. Während ich langsam auf die Brücke zu Motore stehen sie an Deck und winken.
Wie schon gestern öffnet sich die Brücke nur sehr langsam, doch dieses Mal bin ich darauf vorbereitet. Ich lasse mich treiben, versuche Kurs zu halten. Früh genug ziehe ich an der Pinne um einen Kringel zu fahren – ohne dabei in die Nähe von etwas festem zu kommen. Dann ist sie weit genug geöffnet und es geht durch.
In Anbetracht von Flaute hatte ich mir das Segel setzen gespart, doch kaum bin ich um die erste Kurve frischt es auf, eine angenehme Briese pustet mir in den Nacken. Das will genutzt werden – kurzerhand ziehe ich an der Schot und rolle so die Genua aus. Der Motor erlischt und wir segeln nur mit Genua vor dem Wind nach Norden. Das Schilf und die Weiden fliegen an uns vorbei, warme Sonnenstrahlen wärmen mich schnell auf. Etwas zu schnell – mir wird fast schon unangenehm warm und so springe ich kurzerhand in die Kajüte, fische mir ein T-Shirt und bin wieder an Deck bevor wir auch nur in die Nähe des Ufers kommen können. Je näher ich Geversdorf komme, desto mehr frischt der Wind auf. Nur noch eine Kurve trennt mich von Geversdorf mit seiner Brücke, als Bea Orca mit 15° Krängung auf halbem Wind läuft. Dabei habe ich die Genua mittlerweile deutlich gerefft – und das Groß ist gar nicht gesetzt! Wie schnell man doch von „kein Wind“ zu „bissel viel Wind“ kommen kann…
Der Motor springt sofort an und ich rolle die Genua restlos ein. Auf größerem Wasser wäre ich wohl weiter gesegelt doch hier, auf dem Fluss reicht mir der Platz nicht. Würde unter Segel irgend etwas schief gehen, ich hätte bei diesem Wind nicht mehr die Zeit den Motor zu starten. Damit fällt auch heute wieder Neufeld ins Wasser.
Schnell erweist sich meine Entscheidung das Segel zu bergen als richtig, eine kräftige Böe pfeift mir in der nächsten Kurve direkt auf die Nase. Doch kaum bin ich wieder auf der Geraden beruhigt sich der Wind ein wenig. Trotzdem entscheide ich mich dagegen erneut Tuch zu setzen. Mein neues Ziel ist Neuhaus – oder noch besser, der idyllisch aussehende Anleger kurz vor dem Ort. Im Törnführer konnte ich darüber keine Infos finden doch das stört mich nicht weiter. In Navionics ist er als Hafen eingezeichnet, alles andere wird sich schon vor Ort zeigen.
Bei der Ansteuerung wird das Wasser zunehmend flacher, schließlich beginnt das Echolot laut zu piepen. Ich habe nur noch 0,4 Meter Wasser unter den Kielen. Immerhin, es ist nur noch etwa 1,5 Stunden bis Niedrigwasser – selbst wenn ich auflaufe, sonderlich lange werde ich nirgendwo stehen. Trotzdem muss es nicht sein. Ich drehe eine Runde und nähere mich dem Steg ganz langsam gegen den Strom. Zum einen fällt es mir gegen an deutlich leichter langsam zu fahren – zum anderen schiebt mich der Strom dann nicht auf eine mögliche Untiefe sondern sollte sogar helfen wieder runter zu kommen.
0,5….
0,4….
0,3…
0,2…
0,4…
Ich bin nur noch etwa zwei Meter vom Steg entfernt als Bea Orca plötzlich abbremst. Es ist sanft, erst merke ich gar nichts. Doch nach ein paar Sekunden fällt mir auf das wir stehen. Ich lege den Rückwärtsgang ein und dampfe ohne größere Probleme von der Untiefe. Nachdem ich mich vom Steg in tieferes Wasser verholt habe atme ich tief durch und blicke dann erneut in Richtung Steg. Da sind zwei Stege – versuche ich eben den anderen. Kurzerhand nehme ich Kurs. Wieder sinkt das Echolot bis auf 0,2 Meter, doch ich schaffe es. Langsam erreiche ich eine Lücke am Steg und schaffe es eine Leine über zu werfen. Ich springe hinterher, laufe nach vorne…. und stelle erschrocken fest, das sich das Boot von mir weg bewegt! Dann höre ich etwas…
Die Schraube – sie läuft! Scheiße! Ich habe vergessen den Gang raus zu nehmen nach dem Aufstoppen! Scheiße, scheiße, scheiße!
Zurück an Bord komme ich so auch nicht so einfach, denn nicht nur der Bug, auch das Heck hat sich deutlich entfernt. Einfach Gang rausnehmen ist also nicht. Scheiße.
Mit aller Kraft hänge ich mich an die Vorleine, versuche den Bug an den Steg zu bekommen. Doch nichts geht, ich schaffe es selbst mit aller Kraft nicht ihn nah genug ran zu bekommen. Schließlich greife ich zu einer Verzweiflungstat. Ich drehe das Boot – um 360°. Nur mit der Leine. Nun kann ich an Bord springen, den Gang raus nehmen und meine Große richtig fest machen. Kurz atme ich durch, dann bin ich wieder auf dem Steg. Vorsichtig streiche ich über die Stelle, an der ich den Steg geküsst habe. Etwas Lack ist ab, doch es ist nur die oberste Schicht, das Gelcoat ist noch gut geschützt und liegt nicht offen. Ich atme tief durch. Glück gehabt. Was ein doofer Fehler. Nach einem kurzen Spaziergang nach Neuhaus lege ich mich in meine Vorschiffskoje und lese weiter in Johannes „Alleine über den Atlantik“. Tolles Buch. Nach mehreren Stunden höre ich andere Menschen und blicke raus. Ein Mann hat das Nachbarboot betreten. Von ihm erfahre ich, das dies eigentlich ein privater Steg ist. Entschuldigend biete ich an sofort abzulegen. Zwar finde ich es ärgerlich, das dieser private Steg als Hafen eingezeichnet ist, doch einen Streit ist mir das nicht wert. Doch er winkt ab. Der eigentliche Inhaber des Platzes wäre wohl in der Werft – ich könne also ruhig bleiben.
Ein paar Stunden später, es ist jetzt etwa sechs Uhr klopft jemand an. Es ist der Mann vom Nachbarboot. Das andere Boot sei jetzt da, ich müsse jetzt doch weg. Einen Augenblick ärgere ich mich – hätte man mir das heute Mittag gesagt bzw. einfach nicht abgewunken, ich hätte es noch bei Stillwasser zum richtigen Hafen geschafft. So muss ich gegen den Strom Dieseln. Und erst nach dem Ablegen bin ich mir sicher das dies überhaupt für mich möglich ist!
Schließlich erreiche ich Neuhaus. In Ruhe bereite ich mich vor, lege die Leinen bereit. Die Fender habe ich gleich draußen hängen lassen, nur die Leinen muss ich nach den Ringen am Privatsteg wieder anpassen. Gegen den Strom halte ich auf einen freien Stegkopf zu – und fahre ein traumhaftes Anlegemanöver. Exakt neben der Klampe bleibt das Boot stehen. Ich lege ganz entspannt das gespleiste Auge über, der Gang ist schon draußen. Dann laufe ich nach vorne, schnappe mir die Vorleine und belege die Klampe am Steg. Zurück an Bord schalte ich den Motor aus. Noch schnell die Spring legen, dann geht es zum Hafenmeister. In Anbetracht des Wetterberichtes bezahle ich gleich für zwei Nächste. 15 Euro – das habe ich mit meinem Schlauchsegelboot auch schon für eine Nacht bezahlt! Und BEA ist mit 8 Fuß nur ein Bruchteil so lang wie Bea Orca!
Was mir aber etwas übel aufstößt sind die 2 Euro, die mich eine Duschmarke kostet. 2 Euro für ein paar Minuten warmes Wasser unter einer – wie ich später herausfinde – in die Jahre gekommene Dusche! Ich komme nicht umhin an eine Familiencrew zu denken. Da zahlt man hier schnell fürs Duschen so viel wie für den Liegeplatz…
Zum Abendessen koche ich mir Dinkelnudeln mit einer Soße Bolognese aus einem Glas die überraschend gut schmeckt. Muss ich mir merken! Nebenbei höre ich Musik, lese und schreibe Logbuch.
„Leben ist gut.“
Heute, auf diesem Flüsschen, habe ich die 100 Seemeilen in Gezeitengewässern geknackt. Ein klein wenig Stolz sinke ich in meinen Schlafsack und schlummere ein.
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Die Ereignisse in diesem Beitrag geschahen am 07.08.2016.
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