Ein neues Segel

In aller früh weckt mich mein Wecker und ich mache mich fertig für den Tag. Heute geht es mehrere hundert Kilometer durch Deutschland um ein Segel zu kaufen – und anschließend wieder zurück. Ich kann nur hoffen das ich im Internet was vernünftiges gefunden habe. Frisch geduscht geht es zur Bushaltestelle. Brunsbüttel ist zwar kein Dorf, hat aber trotzdem keinen Bahnhof. Und so muss ich eine Stunde mit dem Bus durch Schleswig-Holstein zuckeln. Langweilig. Ob ich wohl im Bus lesen kann? Früher ging dies nie. Doch hat auch das etwas mit Reisekrankheit zutun – und wenn die auf dem Wasser nachlässt, vielleicht auch an Land? Kurzerhand schnappe ich mir mein Buch. Erfreut stelle ich fest, das es klappt.

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Der Bus kommt gerade so rechtzeitig in Itzehoe an und ich schaffe es kurz vor der Abfahrt in den Zug zu springen. Eigentlich habe ich wirklich Glück. Als ich im Juli meine Eltern besuchte nutzte ich eine Fahrkarte der Bahn, mit der ich vier Freifahrten durch Deutschland habe. Das war günstiger als eine normale Fahrkarte. Und das obwohl ich damals noch nicht wusste was ich mit den zwei übrig bleibenden machen sollte. Und so kostet mich die Aktion heute zumindest keine teure Zugfahrkarte. Während ich es mir gemütlich mache fährt der Zug nach Süden. Hamburg ist mein erstes Ziel. Nicht etwa um dort ein Segel zu kaufen, sondern um in einen anderen Zug zu steigen. Während ich durch das Fenster die vorbeiziehende Landschaft betrachte ärgere ich mich ein wenig über mich selbst. Ich habe meine Kopfhörer auf Bea Orca vergessen. Zu doof, etwas Musik wäre jetzt nicht verkehrt. Zum Beispiel „Ich geh Segeln“ von Claus. Oder Zeit von Schandmaul.

In Hamburg angekommen sehe ich einen Elektromarkt im Bahnhof. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, das ich nicht viel Zeit habe. Aber….

Eiligen Schrittes betrete ich das Geschäft und stehe eine Minute später an der Kasse. Bewaffnet mit den günstigsten Kopfhörern geht es zum Bahnsteig. Bei mir gehen Kopfhörer immer schnell kaputt, ganz gleich ob es billige oder Markenprodukte sind. Und so verschwende ich kein Geld für Qualität die doch viel zu schnell den Geist aufgibt. Mit der S-Bahn geht es weiter. Der Zug ist überfüllt, die Fahrt unruhig und ich muss mich festhalten. Da denkt man ein kleines Boot auf der Außenelbe würde sich bewegen und einen guten halt erfordern. Und dann steigt man in eine Hamburger S-Bahn die scheinbar nur Vollbremsungen und ruckelige Bewegungen kennt.

Am Hauptbahnhof habe ich etwas Aufenthalt und gönne mit ein Frikadellenbrötchen. Gewissermaßen Mittagessen – immerhin bin ich schon seit vielen Stunden wach. Dan noch eine letzte Zugfahrt zu einer Stadt ein ganzes Stück südlich von Hamburg. Mittlerweile bin ich im tiefsten Binnenland. Ich bin am Bahnhof mit dem Verkäufer verabredet und finde ihn auch schnell. Sein Fragpreis waren 250 € – Verhandlungsbasis. Doch jetzt wo ich da bin ist von Verhandeln nicht mehr die Rede. Auch mein Anliegen, das Segel einmal auszurollen trifft erst auf wenig Gegenliebe. Erst als ich vom Geldautomaten den gewünschten Betrag abgehoben habe und damit vor seiner Nase herum wedle lässt er sich überzeugen das Segel aus dem Segelsack zu nehmen. Am liebsten würde ich umdrehen und das Segel Segel sein lassen. Der Verkäufer ist mir unsympathisch, ja fast schon unseriös. Nur der Gedanke, das ich ein Vorsegel brauche um meinen Törn fortzusetzen lässt mich innehalten.

Schließlich liegt das Segel vor mir. Es ist praktisch neu, noch ungenutzt und in entsprechend gutem Zustand. Die Nähte sehen sauber aus, Risse, Kratzer oder sonstige Schäden sind nicht zu finden. Zähneknirschend drücke ich ihm das Geld in die Hand und verschwinde mit meinem neuen Segel. Kaum ist er außer Sichtweite atme ich auf. Glücklich sehe ich auf den Sack mit dem Segel. Es ist mehr als ich mir erhofft hatte. Vernünftige Qualität und die Maße sind nur etwas kleiner als eine Fock für mein Boot eigentlich sein sollte. Stagreiter aus Messing. Was könnte ich mehr wollen? Mein Törn ist gerettet! Da kann mir der Charakter des Verkäufers doch egal sein.

Mit dem ICE geht es wieder zurück nach Hamburg wo ich einen längeren Aufenthalt habe. Kurz ziehe ich einen weiteren Imbiss in Betracht, entscheide mich dann aber dagegen. Das nächste Essen gibt es auf Bea Orca.

Erneut geht es mit dem Zug weiter bis Itzehoe, wo ich über eine Stunde auf den Bus nach Brunsbüttel warten muss. Dieser Fährt fast stündlich. Fast. Nur am Nachmittag gibt es eine Lücke im Fahrplan und genau in dieser Lücke befinde ich mich.

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Am frühen Abend bin ich endlich wieder zurück auf Bea Orca. Kaum ist der Rucksack abgestellt ziehe ich die Fock aus dem Segelsack und schlage sie am Vorstag an. Das Segel steht, als wäre es für Bea Orca geschnitten. Perfekt. Und auch im Boot ist alles in bester Ordnung, der Wassertank ist – mal abgesehen von einer Restfeuchte die ich noch nicht heraus bekommen habe – trocken. Zur Feier des neuen Segels und zwecks Resteverwertung kaufe ich etwas Geflügel im Supermarkt. Zusammen mit den übrig gebliebenen Kartoffeln, Äpfeln und Zwiebel ergibt dies ein leckeres Pfannengericht. Geschafft von der vielen Fahrerei mit Bus und Zug sinke ich in meine Koje, lese noch ein paar Seiten und schlafe schließlich ein.

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Die Ereignisse in diesem Beitrag geschahen am 11.08.2016.

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Sebastian

4 Kommentare

  1. Ups, da ist was schief gelaufen. Also noch ein mal.
    Glückwunsch zum Segel. Wir waren heute in genau der entgegen gesetzten Richung unterwegs. Nach Lübeck, um dort unser erstes Boot zu kaufen.Top Zustand zum Schnäppchen Preis. Somit sind auch wir glücklich und endlich “ echte“ Segler:-)

  2. Moin Sebastian,

    Du bist ein Glückspilz. Dem Segel sieht man an, dass es völlig neuwertig ist. Das sieht man an den steifen Falten. Gebrauchtes, ausgerecktes Material haben diese Packfalten nicht mehr.
    Gruß Klaus

    • Ich weiß. Manchmal frage ich mich ob ich eine persönliche Glücksfee habe – oder ob man sein Glück einfach selbst macht, indem man nicht aufgibt. Das Segel war tatsächlich komplett ungenutzt und bringt viel. Trotzdem will ich wieder eine Rollgenua – alleine um auch bei weniger als 3-4 Beaufort vernünftig zu segeln. Denn das gibt es hier irgendwie öfters als ich dachte… und da merkt man 6 qm weniger dann doch.
      Viele Grüße,
      Sebastian

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