Den Vormittag verbummle ich mit lesen und ausschlafen. Der Strom setzt erst am frühen Nachmittag in die richtige Richtung, bis dahin bleibt mir nichts anderes übrig als zu warten. Doch das ist nicht weiter tragisch: Vor zwei Tagen habe ich mich mit Johannes und Cati (www.zu-zweit-auf-see.de) getroffen, die im Nachbarhafen liegen und dabei sind ihre Atlantikrunde zu beenden. Dabei habe ich Johannes Buch über seine erste Atlantiküberquerung geschenkt bekommen. Das Buch ist mit um den Atlantik gesegelt und hat somit im wahrsten Sinne des Wortes viel mehr Meilen im Kielwasser als ich in den nächsten Jahren ersegeln werde. Das ich das Lesen in vollen Zügen genieße muss kaum erwähnt werden.
Endlich, um 14 Uhr ist es so weit, ich lege ab. Gar nicht so einfach. Denn nun bin ich alleine. Schließlich lege ich eine Leine lose über eine der Klampen. So kann ich die Rückwärtsfahrt quer aus der engen Lücke besser kontrollieren. Strom und Wind setzen mal wieder ungünstig, ich muss aufpassen will ich nicht auf eines der beiden Boote die mich einparken rammen. Dem Boot, das Bea Orca von hinten einparkt komme ich trotzdem gefährlich nahe. Sicherheitshalber drücke ich mich mit der Hand ab, dann bin ich draußen. Die Genua wird zu einem Drittel ausgerollt, das Groß gesetzt. Schon vor dem Ablegen habe ich das zweite Reff eingebunden. Bei gemeldeten Böen bis 45 km/h scheint es mir angemessen. Trotzdem freue ich mich riesig darauf den Hafen zu verlassen. Ich spüre es, heute komme ich an, am Abend werde ich in einem neuen Hafen liegen. Und: Wind und Strom wirken in die gleiche Richtung, ich werde zwischen halbem Wind und Vorwindkurs unterwegs sein. Was will man mehr?
Deutlich spüre ich die Kraft des Motors, das Säubern der Schraube hat sich gelohnt. Zwar schmerzt die Hand noch immer etwas beim nutzen, doch es geht soweit, das ich sie auch für Leinenarbeit benutzen kann. Kaum liegt die Hafeneinfahrt im Kielwasser drücke ich die Pinne von mir und nehme Kurs Süd. Dabei beobachte ich begeistert einen der großen, niederländischen Plattbodensegler, mit denen ich zu meiner Schulzeit einmal auf Klassenfahrt war und die ich während meiner Frieslandtörns immer wieder bewundert habe. Irgendwie kommt mir das Boot bekannt vor. Nachdenklich blicke ich auf den Rumpf, bewundere die schönen Linien. Schließlich fällt mein Auge auf den Namen. Das kann doch nicht sein! Das… nein, ich schüttle den Kopf. Unmöglich. Ist dies nicht genau das Boot, mit dem ich vor 8 Jahren auf Klassenfahrt war? Nein, das kann doch nicht sein. Und doch, irgendwo habe ich es gesehen. Erst am Abend, nachdem ich nachgesehen habe, bin ich mir sicher das es nicht das Klassenfahrt-Boot war. Trotzdem: Irgendwo bin ich ihm schon einmal begegnet. Diese Farben, die Linien, der Name… All das kommt mir unglaublich bekannt vor.
Während Bea Orca nach Südost schießt wundere ich mich über den Wind. Irgendwie ist er schwächer als erwartet. Doch dies könnte auch daran liegen, das ich ihm davon segle. Mit Acht Knoten schießen wir über Grund. Zieht man dies von 45 km/h ab, macht es schon einen deutlichen Unterschied.
Doch wir kommen gut voran und ich sehe keinen Grund, auf dem Vorschiff herumzuturnen um ein Reff auszubinden. Es dauert nicht lang, und wir lassen den gemütlich aussehenden Hafen von Altenbruch hinter uns. Ich liebe segeln. Doch Vorwind empfinde ich nach wie vor als anstrengen und so kreuze ich bei einem strammen Nordwestwind vor dem Wind. Die Sonne scheint und lässt das Wasser blau funkeln. Ein magischer Ausblick. In der Ferne kann ich die Küste von Schleswig-Hollstein erkennen, die hohen Windräder zeichnen sich zwar nur dezent aber doch deutlich am Horizont ab. Bea Orca liegt gut in der Welle, ich bin überraschend entspannt. Es geht gut, so darf es weiter gehen. Ein guter Wind aus der richtigen Richtung, Sonne – und ich bin nicht Seekrank. So kann es weiter gehen! Schließlich rasen wir auch dann Otterdorf vorbei. Voraus liegt nun Brunsbüttel – und ganz in der Nähe, Neuhaus. Doch irgendwie stört mich der Anblick. Nicht nur das es gerade so viel Spaß macht. Nein, der Grund ist ein anderer. Was ich von der Gegend sehe ist ein großes Industriegebiet. Da soll ich hin? Beim aktuellen Wetterbericht kann ich morgen nicht weiter. Bei Böen von sieben Windstärken will ich nicht auf die Außenelbe, ganz egal ob Wind mit oder gegen Strom. Auf der anderen Seite sehe ich die Ostemündung die zügig auf mich zu kommt. Ich kann mir ein grinsen nicht verkneifen. Auch dies war mal ein Plan. Die Tipps für die Ansteuerung habe ich im Kopf. Doch wie ist das mit der Tide? Ich lasse die Pinne los, springe in die Kajüte und kommt wenige Sekunden später mit dem Tidenkalender wieder zurück. Alles ist gut gegangen, Bea Orca hat problemlos den Kurs gehalten. Kaum habe ich die entsprechende Seite gefunden wir mein Grinsen noch breiter. Das Wasser ist hoch genug, ich komme problemlos über die Barre – und kann sogar, so ich will, noch länger segeln. Zumindest wenn ich auf der Oste segeln kann, denn das weiß ich noch nicht genau. Ein weiteres Problem sind die Brücken. Ich kenne nur die Telefonnummer für die erste Brücke, für die anderen habe ich nur Funk gefunden. Doch das bringt mir nun mal nichts. Viel zu schnell nähern wir uns der Mündung. Schade – die Außenelbe gefällt mir richtig gut. Doch dann lege ich Kurs auf die Mündung. Die ersten Tonnen ignoriere ich, der Strom setzt so weit außen noch zu stark, ich muss weiter rein – und Tiefgang ist kein Problem. Kaum bin ich querab der Tonne fünf merke ich, das der Strom stark nachgelassen hat. Zwei bis drei Minuten ist der Motor gelaufen, schon schalte ich ihn wieder auf. Der Wind ist gut, nicht übermäßig Böig. Bea Orca läuft sehr gut unter Segel, da hätte ich ihn mir sogar ganz sparen können. Außerdem springt er schnell an – sollte ich im kurvenreichen Mündungsbereich Probleme bekommen kann ich auch dann noch den Diesel anwerfen. Im ruhigen Wasser der Oste laufe ich auf die erste Kurve zu und luve dann stark an. Sofort reagiert meine Große und fährt sauber die Kurve ab. Stolz tätschel ich meine Große. Da sag noch einer, Kimmkieler würden nicht ordentlich segeln. Die Mündung ist sicher nicht breit, dafür recht kurvig. Trotzdem läuft es sehr gut.
Während Wind und Flutstrom uns die Mündung hoch schieben bewundere ich die Aussicht. Es ist schön hier, mit dem Fernglas kann ich deutlich die Kühe am Ufer erkennen, die mich leicht an Friesland erinnern. Auch Grasflächen, Schilf und einen Deich kann ich sehen. Doch die meiste Zeit behalte ich Tonnen und Pricken im Auge – heir unerlässlich, denn neben dem Fahrwasser wird es flach. Dann erreiche ich die nächste Kurve, falle ab und nehme Kurs voraus. Obwohl Navionics mit läuft suche ich jede Tonne auf der Seekarte um meine Position auf altmodische Weise zu bestimmen. Einerseits komme ich mit der Papierkarte besser zurecht, andererseits macht es mir auch einfach Spaß. Würde ich einfach auf dem Tablet nachsehen würden die Tonnen weitgehend an Bedeutung verlieren – und das wäre irgendwie schade. Voraus ist die Brücke zu erkennen, in etwa fünf Minuten werde ich sie erreichen. Schnell ist das Smartphone in der Hand und ich wähle die Nummer. Es meldet sich ein Mann, der mir versichert die Brückenöffnung wäre kein Problem. Er hätte mich im Blick und würde sie rechtzeitig öffnen. Ob ich unter Segeln durchfahre oder den Motor starte ist ihm egal.
Das Ufer liegt nun zum Greifen Nah. Der große Strom liegt nun endgültig hinter mir. Vor mich erstreckt sich die Oste, die ich aufwärts zu segeln gedenke. Wie das wohl sein wird? Gespannt, aber auch ein wenig skeptisch blicke ich voraus, während Bea Orca’s Bug sanft durch die kleinen Wellen schneidet.
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Die Ereignisse in diesem Beitrag geschahen am 06.08.2016.
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