Ich bin schon fast an meinem Ziel. Doch die letzten Meter werden ein Kraftakt. Der Strom setzt stark, wie auch auf der Außenelbe läuft das Wasser ab. Doch ich mag die Mündung hoch, muss gegen den Strom ankämpfen. Immerhin: Ab der Tonne Oste 5 wird das Fahrwasser ruhig, der Elbstrom versetzt uns nicht mehr und wir dieseln ruhig den Fluss hinauf. Währenddessen kann ich die gesamte Zeit mein Ziel sehen.
Es ist gerade 15 Uhr als der Anker fällt. Der Bug zeigt ja bereits gegen den Strom und so gebe ich langsam nach und nach Kette. Der Anker berührt den Grund und wir treiben rückwärts. Bald schon habe ich keine Kette mehr und die Ankerleine gleitet hinab. Wie viel Leine ich wohl geben sollte? Bei Hochwasser sollten hier nicht mehr als fünf Meter Wasser stehen.
Schließlich gebe ich auch die gesamte Leine. Warum auch nicht. Auch wenn ich nicht als einziger hier ankert: Ich habe Platz. Außerdem wüsste ich keine gute Möglichkeit die Kettenlänge zu limitieren. Kette kann ich problemlos am Bugkorb einhängen. Aber Leine? Ich müsste sie irgendwo hinein quetschen. Das hält einerseits nicht zuverlässig, andererseits würde es auf Dauer wohl die Haltekraft der Leine schwächen.
Schließlich gehe ich hinter, schalte den Dieselmotor ab, aktiviere den Ankeralarm und nehme mehrere Peilungen. Doch kaum lasse ich mich nieder schleicht sich ein dickes, fettes Grinsen auf mein Gesicht. Ich bin hier. Liege vor Anker. Zwar hab ich schon mit BEA geankert. Auf einem Baggersee. Für vielleicht eine halbe Stunde. Und mit Bea Orca? Ja, ein oder zwei Mal auf dem Hooksmeer. Aber das hier…. das ist anders.
Begeistert sehe ich mich um. Um Bea strömt das vom Sand braun gefärbte Wasser der Oste. Sieht man hinab, so könnte man fast meinen wir wären noch unterwegs. Im Süden erstreckt sich grünes Vorland. Saftige Weiden, bevölkert von Kühen. Idylle. Dazwischen einige hochgewachsene Bäume deren Häupter gen Himmel ragen.
Noch mehr beeindruckt mich allerdings der Blick nach Norden. Eine Sandbank die bei Niedrigwasser hoch trocken fällt versperrt den direkten Blick auf die Außenelbe. Kleinere Boote mögen komplett hinter ihr verschwinden. Nicht aber die Großen Tanker. Majestätisch recken sie ihre hohen Aufbauten gen Himmel, gleiten scheinbar lautlos dahin.
Am meisten begeistert mich allerdings etwas anderes. Etwas… unglaubliches. Bei meinem Überführungstörn hatte ich auf der Außenelbe einen dieser putzigen Kerlchen im Wasser gesehen. Doch das hier….
Das Osteriff wird bevölkert von einer ganzen Kolonie Seehunde! Sicherlich hunderte genießen die Sonne. Es ist atemberaubend. Für lange Zeit halte ich das Fernglas vor meine Augen, meine Blicke wandern über die Seehundbank.
Zwischendurch kontrolliere ich immer wieder unsere Position, Der Anker hält.
Aufgedreht beginne ich an Deck umher zu laufen. Setzte mich mal ins Cockpit, dann wieder aufs Vorschiff. Das ist so…. aufregend. Mein erstes Mal ankern. Naja, nicht wirklich das erste Mal ankern. Aber so richtig. Ich will hier über Nacht bleiben. Und dann natürlich die Gezeiten. Das ist alles so neu. Ein wenig beruhigend ist die Nähe zu Neuhaus. Wenn etwas schief geht kann ich Bea Orca immer noch zum Yachthafen verholen. Aber im Moment ist doch alles gut….
Ich bin einfach aufgeregt. Glücklich, ja. Absolut glücklich. Aber auch Aufgeregt. Eigentlich ist es Wahnsinn. Mein Boot, ein Haufen Ausrüstung und ich hängen an einem kleinen Anker, ein wenig Kette und ein paar Metern Leine. Insgesamt sicherlich 2 Tonnen Boot und Ausrüstung an was? 20 Kilo wenn man Anker, Kette und Leine zusammen rechnet? Vielleicht auch weniger?
Aber es hält. Und so setze ich meine Runden an Bord fort. Mit dabei ist stets mein Fernglas mit dem ich nicht nur die Seehunde beobachte sondern auch die Umgebung in mich aufnehme. Es ist wunderschön hier. Instinktiv weiß ich: Hier werde ich noch öfters hin kommen.
Am Abend macht sich dann der Magen bemerkbar. Er grummelt, Kochen ist angesagt. Aber was? Ich will nicht so lange unter Deck. Hier, vor Anker und bei tollem Wetter, will ich draußen sein. Auf die Idee einfach meinen Cockpittisch aufzubauen und draußen zu Kochen komme ich allerdings nicht. Und so entscheide ich mich für etwas einfaches, schnelles. Kurzerhand gibt es zum Abendessen Vanillepudding. Auch lecker. Besonders vor Anker mit einer warmen Briese im Gesicht, wie ich feststellen muss.
Mit dem ebook-Reader im Cockpit versuche ich mich abzulenken. Lese Ostseeprinzessin. Einfach ein tolles Buch, ich bin mit jeder Seite mehr begeistert. Und doch, in diesem Moment schafft es auch dieser Bericht nicht, mich etwas runter kommen zu lassen. Ich bin nach wie vor hibbelig, aufgeregt. Und voller Glücksgefühle.
Schließlich wandert mein Blick nachdenklich zum Himmel. Bald wird die Sonne untergehen. Mein Ankerlicht ist eine alte Petroleumlampe. Zeit sich mit dem Teil zu beschäftigen. Schnell ist sie aus der Backskiste gekramt, das Petroleum aufgefüllt und der Docht ein Stück heraus gezogen. Anzünden, klappt. Gerade rechtzeitig.
Die Sonne, obgleich versteckt hinter den Wolken, beginnt eben diese rot zu färben.
Nach einem kurzen Abstecher ins Vorschiff wo ich meine Kameras hole setze ich mich aufs Vorschiff. Nehme den Anblick in mich auf. Es ist, als würde der Himmel auf der einen Seite brennen, während er über mir noch Blau ist. Glückselig lächelnd beobachte ich den Horizont, merke kaum das ich ein paar Bilder mache. Dieser Moment ist zu schön um sich auf Fotos für den Blog zu konzentrieren. Nein, dieser Augenblick gehört ganz mir alleine. Einfach toll.
Und traurig. Es ist das erste Mal auf all meinen Törns, das ich mir von ganzem Herzen wünschte jemand wäre bei mir. Dieser Augenblick, vor Anker, der Horizont von der untergehenden Sonne rot gezeichnet…. ein Traum. Eigentlich zu schön diesen Moment nicht zu teilen. Und so sitze ich, breit lächelnd und doch Tränen in den Augen auf dem Vordeck und genieße die Stimmung.
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Die Ereignisse in diesem Beitrag geschahen am 14.08.2016.
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Moin
ich habe vor meinem Törn, Deinen Beitrag gelesen. Wir waren von HH nach Cuxhaven und zurück unterwegs.
Dann hatten wir einen Motorschaden und es musste ein guter Ankerplatz her. Dank Deines Beitrags wusste ich, was mich auf der Oste erwartet.
Ja es ist dort großartig und die Ruhe trägt gut dazu bei genau zu überlegen was jetzt zu tun ist. Aber die Seehunde auf der Sandbank, haben unsere Überlegungen verzögert. Das muss Mensch sich anschauen und mal für eine Weile vergessen was da an Arbeit wartet.
Ich bin dann in die Oste gesegelt und weil der Motor sich nicht mit Boardmittel reparieren lies auch wieder raus gesegelt. Spannend. In Glückstadt konnte die Reparatur beendet werden.
Gruß Paul
Ja, der Ankerplatz ist einfach herrlich…
Gut das es letztlich in Glückstadt geklappt hat. Wobei ich überrascht bin das die Werft in Neuhaus nicht helfen konnte…?
Jedenfalls ist dann ja alles gut gegangen. Freut mich das ich mit meinem Blog hier ein winziges bisschen helfen konnte 🙂
Viele Grüße,
Sebastian
Nun wir wussten nicht dass es eine Werft in Neuhaus gibt. Wir haben auch gar nicht danach gesucht, denn wir ( also im Grunde ich ) hatten uns in den Kopf gesetzt, nach Hamburg zu seglen, ohne Motor halt. Aber die Realität hat uns ( also mir ) gezeigt, dass es doch nicht so einfach ist. Elbe und kreuzen, da gehört einiges an Nerven zu. Pötte von rechts und links, kleine Dampfer usw. Da übe ich noch ein wenig, ruhig zu bleiben, auf der Elbe. 🙂
Hallo Sebastian
Herzlichen Glückwunsch dazu, daß Du zu denen gehörst die es schaffen ihren Traum
zu verwirklichen. Immer weiter so und immer eine Handbreit Wasser unter Deinen Kimmkielen.
Gruß Ralf