Nach einer unruhigen Nacht pelle ich mich aus dem Schlafsack. Der Wind hat immer wieder das Zelt durchgeschüttelt und Regen hat immer wieder aufs Zelt geprasselt. Wäre es nicht auch noch so kühl gewesen, es hätte mir nichts ausgemacht. Doch so war diese Nacht nicht gerade ruhig.
Dafür begrüßt mich nun die Sonne. Ein paar weiße Wölkchen hängen am Himmel doch die meiste Zeit spüre ich die Sonne auf meiner Haut. Herrlich, dieses Gefühl. Doch auch wenn es aufgehört hat zu regnen, noch immer pustet es ordentlich. Ich höre von meinem Zeltplatz aus die Brandung an der Nordseite der Insel – und ich habe mein Lager im Süden aufgeschlagen. Alleine vom Klang wird mir schon klar, das ich heute wohl ehr nicht segeln werde. Aber vielleicht paddeln? Mal sehen. Dem Wetterbericht traue ich jedenfalls nicht mehr. Meiner ist schon eine halbe Woche alt. Da kann ich ebenso gut einen Frosch fragen.
Zum Frühstück futtere Ich Schoko-Vanille-Vla. Ich liebe ihn. Einfach lecker. Anschließend schnappe ich mir wieder das Buch „Der Circle“ und lese weiter. Es fesselt mich, das ich nicht weiter segeln kann stört mich nicht im Mindesten.
Schließlich lege ich es weg. Die Sonne scheint, ich will mich bewegen. Nun fuchst es mich doch ein klein wenig, das ich keinen Windbericht habe. Wie soll ich wissen wie es weiter geht, wenn ich noch nicht mal weis, ob ich heute oder auch nur morgen noch aufs Wasser kann?
Nachdem ich angemessen gegrummelt habe, hacke ich den Punkt ab. Ist doch eigentlich egal. Das ist segeln. Man muss das Wetter nehmen wie es kommt. Was bringt mir der Wetterbericht – am Ende muss ich immer entscheiden so wie es in dem Moment ist! Also, den Vormittag bleibe ich hier. Nachmittags kann ich ja noch mal gugen ob es dann passt. Wenn ja, kann ich dann zum Beispiel weiter nach Heeg. Oder Woudsend. Wird sich schon was finden. Nun beginne ich erstmal einen Spaziergang über die Insel. Das ist gar nicht so einfach, trotz vieler Wege. Denn eben diese – und auch alles drum herum – sind ebenso oft matschig und feucht, riesige Pfützen, wie das man sie vernünftig nutzen könnte. Und ich habe keine Lust mit Stiefeln rum zu latschen. Also bin ich mit Neoprenschlappen bewaffnet, mit denen ich aber nicht durch Sümpfe waten mag.
Trotzdem komme ich immer irgendwie weiter und ende schließlich bei einem Motorboot. Es liegt gut vertaut in einer kleinen Bucht doch niemand scheint an Bord zu sein. Wo die wohl sind? Immerhin bin ich hier auf einer Insel – also müssen sie doch irgendwo hier sein? Aber an Bord ist niemand – da bin ich mich recht sicher. Das Boot sieht absolut verlassen aus. Hier wird doch wohl nicht etwa jemand überwintert haben?!
Nachdem ich mir sicher bin das niemand auf der Motoryacht ist, wandere ich weiter. Die Insel ist nur durch einen schmalen Kanal, höchstens einen Meter breit und voller Schilf, vom Festland getrennt. Allerdings liegt auf der anderen Seite eine Weide und die ist mit Stacheldraht gesichert. Notfalls käme man hier weiter – aber nur durch die Weide oder, wenn man sportlich ist, auf den paar Steinen die sie vom Wasser trennen.
Trotzdem scheint es, als würde die Insel manchmal vom Land aus betreten werden, an mehreren Stellen liegen Planken über das Kanälchen, über die man gut und trockenen Fußes hinüber kommt. Gut zu wissen – notfalls käme ich also sogar ans Festland, selbst wenn mir der Wasserweg verwehrt bliebe. Aber ich habe ja noch Zeit – und Vorräte für mehrere Tage. Also kein Grund für akrobatische Übungen. Und eine abgezäunte Weide mag ich auch nicht einfach so betreten. Also kehre ich bald um und begebe mich zurück zum Zelt. Dabei bemerke ich einen Fischer mit einem kleinen Motorboot, so ein ganz einfaches, offenes mit einem Außenborder auf dem Wasser. Vielleicht ist das ja der Skipper der Yacht, denke ich mir. Später kann ich ja einfach noch mal nachsehen.
Es ist bereits gegen Mittag und ich packe noch einmal den „Circle“ aus. Viel habe ich nicht mehr, dann habe ich auch die letzte Seite gelesen. Den größten Teil des Buches habe ich nun auf dieser Insel gelesen. Obgleich ich hier ja eigentlich mitten in der Zivilisation bin, so bin ich doch relativ abgeschottet. Und so kommt es, das die Lektüre dieses besonderen Buches einen noch tiefen Eindruck auf mich hinterlässt als hätte ich sie gemütlich im Wohnzimmer, zwischen Fernseher, Computer und Internet gelesen. Obgleich ich etwas einsam bin, so bin ich doch unglaublich glücklich. Diese Ruhe und Abgeschiedenheit… Jetzt, in diesem Moment, gehört die Insel hier. Niemand ist hier auf den ich Rücksicht nehmen muss, ich kann tun und lassen was ich will. Nun, natürlich nicht wirklich – auch für mich gelten nun mal regeln und Gesetze. Und doch… diese Einsamkeit hat etwas befreiendes und auch wenn ich mich freue hoffentlich morgen weiter zu kommen und wieder Menschen zu sehen, so bin ich doch glücklich hier alleine auf der Insel zu sein. Zufrieden stelle ich meinen Hocker auf und schmiere mir eine Scheibe Brot mit Schokocreme voll.
Bald darauf packe ich meine Trompete aus. Ich habe schon lange nicht mehr gespielt und hoffe auf diesem Törn wieder damit anzufangen. Doch kaum habe ich begonnen stelle ich fest, das zwei Ventile klemmen. Auch das extra mitgenommene und neu gekaufte Ventilöl hilft nicht und so beschränke ich mich darauf Signale zu spielen. Es macht spaß, auf einer Insel zu stehen und lautstark dieses Instrument zu spielen. Irgendwie lustig, mal was ganz anderes. Du doch: Tief im inneren weis ich, das ich dies nicht mehr wiederholen werde. Jetzt, hier, alleine auf einer Insel passt es irgendwie. Doch ansonsten… nein, in einem Hafen käme ich mir absolut bescheuert vor.
Etwas später mache ich mich wieder auf. Gesegelt oder auch nur gepaddelt wird heute nicht mehr, das ist mir jetzt schon klar. Der Wind ist zu stark und ich möchte nichts riskieren. Außerdem ist es schön hier, wofür also sich abmühen?
Ich sehe gerade noch, wie der Angler zu einem Ort fährt und das Wasser verlässt. Also doch nicht der Skipper des Motorbootes! Jetzt werde ich richtig neugierig. Ob wenigstens das Boot einen Namen hat? Doch auch einen solchem mag ich nicht entdecken. Also ein richtiges Geisterboot. Es kann doch nicht sein, das eine Motoryacht hier einfach herum liegt! Das ist… nein, ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Es erscheint mir widernatürlich, absolut unnormal. So ein Boot ist doch Wertvoll, das lässt man nicht einfach irgendwo herum liegen!
Kopfschüttelnd beschließe ich, mir noch die Westseite der Insel anzusehen. Denn dort war ich bisher noch nicht. Ich entdecke dort nicht nur das Skelett eines toten Fisches auf dem Steg (wie der da wohl hingekommen ist?) sondern habe auch die Freude, aus der Ferne ein Plattbodenschiff zu beobachten. Es ist einfach immer wieder schön, diesen Boten bei ihrer Fahrt zuzusehen.
Nach etwa einer halben Stunde, es gibt dort eine Bank auf der ich mich gemütlich niedergelassen habe, geht es zurück zum Zelt.
Eine Sache möchte ich noch erledigen bevor ich gedenke mein Abendessen zuzubereiten. Müll entsorgen – und ein großes Geschäft erledigen.
Achtung: Alle, die mit Fäkalien ein Problem haben sollten den folgenden Absatz überspringen!
Am Müll angekommen stelle ich fest, das diese verschlossen sind. Dies ist weniger ein Problem wegen dem Müll den ich habe denn viel mehr, das ich eigentlich geplant hatte in einen Müllbeutel zu kacken. Und diesen dann im Müll zu entsorgen – eine bewährte Taktik aus dem letzten Jahr. Gut zugeknotet stinkt dies nicht und während der Saison wird der Müll hier regelmäßig gelehrt. Doch noch ist keine Saison. Soll ich mich etwa in die Reihe derer, die einfach irgendwo ihr Geschäft erledigen einreihen? Nein, das möchte ich nicht. Es hinterlassen bereits genug Menschen hier Tretminen, da muss ich nicht zu beitragen. Also beginne ich an einer Stelle mit weichem Boden mithilfe der Pütz ein Loch zu graben. Geht nur bedingt gut und ich hoffe, dies nicht mehr oft wiederholen zu müssen. Danach das Loch zuzuschaufeln macht übrigens auch keinen Spaß…
Zum Abendessen reiße ich einfach eine Tüte mit Nudeln und irgend einer Soße auf. Wie immer, gut Knobi dran, dann schmeckt’s schon. Wobei ich heute etwas übertrieben habe…
Etwas später kann ich einen tollen Sonnenuntergang genießen. Die Sonne sieht irgendwie riesig aus und es gibt nicht eine Wolke, die mir die Sicht rauben würde.
Während ich in meinen Schlafsack krieche bemerke ich, das dieser Tag, wenn auch recht ereignislos, so doch ein Erlebnis war, das ich nicht missen möchte.
Die Ereignisse in diesem Teil geschahen am 10.03.2015
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