Eine frische Briese treibt mich aus dem Hafen und in Richtung Kanal. Der Wind ist ausgesprochen angenehm. Nicht so stark, als das ich mir Gedanken machen müsste – also absolut unkritisch – aber doch stark genug um gut voran zu kommen. Gemütlich schiebt sich BEA durch das Heeger Meer und schon bald erreichen wir den Kanal. Allerdings dauert die Fahrt nicht lange – bereits am ersten Marrekrite-Platz lege ich an um etwas Flüssigkeit zu verlieren. Das war dringend nötig, wie ich überrascht feststelle. Bleiben will ich hier gleich aus mehreren Gründen nicht. Es ist hier zwar nicht ungemütlich, aber so schön ist es nicht. Dann will ich heute noch ein ganzes Stück weiter – ab morgen dreht der Wind und ich kann nur noch heute nach Ost Strecke machen. Und, fast am wichtigsten: Ich habe gerade – zum aller ersten Mal auf diesem Törn – perfektes Segelwetter! 2 bis 3 Windstärken, Sonne… was kann sich ein Schlauchbootsegler mehr wünschen?
Es geht weiter und ich segel mal wieder über ein Aquadukt. Ich finde die Dinger toll – und es ist ein schönes Gefühl einfach ÜBER eine Straße zu segeln. Irgendwie fastziniert mich der Gedanke.
Bald darauf frischt der Wind auf. Noch ist es beherrschbar – 3 bis 4 Beaufort. Doch da dies deutlich mehr ist als gemeldet war, als ich erwartet habe, werde ich doch etwas nervös. Nicht das der Wind noch stärker wird?
Sicherheitshalber greife ich zum Messer. Es steckt einsatzbereit in der Tasche. Sollte der Wind noch stärker werden würde ich einfach das Fall durchtrennen. Kein Hochklappen vom Baum, kein hektisches auseinandertüddeln irgendwelcher Knoten, keine Hektik mehr. Soviel stand für mich fest. Wenn ich mal wieder zu viel Segelfläche gesetzt haben sollte, würde ich diesen Zustand mit einem beherzten Schnitt ändern.
Gleitend erreichen wir das Ende des Kanals. Dabei fällt mein Auge auf ein Schild: Reines Segeln verboten – weiterfahrt nur unter Motor. Scheiße, das hatte ich komplett vergessen. Und dieses Mal möchte ich nicht die fünfzig Meter nach Süden sondern etwa 2 Kilometer nach Norden. Und ob man da segeln darf? Ich weis es nicht. Etwas nervös sehe ich mich um und beschließe dan weiter zu fahren. Als „Motor“ lege ich mein Paddel bereit. Glücklicherweise lässt auch der Wind einwenig nach und so ist die Fahrt sehr gemütlich. Natürlich hätte ich auch umkehren können, etwas anderes zu behaupten wäre gelogen. Aber… alles in mir sträubt sich dagegen. Dann hätte ich irgendwo bei Heeg übernachten müssen, die Zeit reicht nicht mehr um über Ijlst nach Sneek zu kommen. Und dann müsste ich genau die Strecke machen auf die ich keine Lust habe: Heeg, Ijlst, Boulsward, Harlingen. Fast wie letztes Jahr. Nee, danke. Ich will nach Sneek, wenigstens eine etwas andere Strecke segeln. Und so kommt es das ich BEAs Bug nach Norden richte –auf den Verbotenen Kanal. Es ist niemand da – so weit wie ich sehen kann bin ich alleine. Warum also nicht?
Der Kanal ist überraschend schön. Immerhin scheint dies eine richtige Wasserstraße für die Großschifffahrt zu sein – da hätte ich das nicht erwartet. Doch eben diese Tatsache – das hier durchaus Beruffschiffahrt erwartet werden muss – erfordert von meinem Gewissen besondere Vorsicht. Immer wieder sehe ich mich um – auf dem Kanal würde ich die Berufsschiffahrt von weitem sehen und hätte mehr als genug Zeit ans Ufer zu fahren und fest zu machen. Wenn ich schon heimlich deren Wege nutze möchte ich wenigstens nicht im Wege sein. Doch es erweist sich als unnötig. Während der gesamten Zeit auf dem Kanal sehe ich nicht ein einziges Schiff. Nichtmals ein kleines. Ich bin alleine. Nur ein Paar Tiere begleiten mich ein Stück meines Weges.
Schließlich erreiche ich einen See und darf auch ganz offiziell wieder Segeln – ohne „Paddel-Motor“ auf Standby. Gerade rechtzeitig – denn nun sehe ich tatsächlich wie sich von achtern ein Boot nähert. Ich falle etwas Ab um den Schiff mehr Platz zu machen und sehe, wie der Steuermann zum Gruß die Hand hebt. Dann ist er schon vorbei und ich bin wieder alleine. Etliche Kanäle treffen diesen See und ich sehe mich gezwungen genau darauf zu achten, welchen ich nehme. Das geht sogar soweit, das ich – ICH – auf Bojen achte und mir ansehe, welche Kennzeichnung sie haben um meine Position genau zu bestimmen. Ach du meine Güte… das ist ja schon fast Navigation… also…. auf Schlauchbootisch…
Doch auch so – nicht zuletzt aufgrund BEA’s durchschnitttempo von 2 Knoten – habe ich genug Zeit die Natur zu bewundern. Hier, gar nicht weit von Sneek entfernt, finde ich ein wunderbares, ruhiges Gewässer wieder. Es ist einfach schön hier, es sieht natürlich aus. Schön. Alles passt. Alles ist gut. Ich bin glücklich, zufrieden, im reinen mit mir. Es ist genau das Gefühl, das ich am Segeln so liebe. Ich fühle mich als Teil der Natur, bin glücklich und zufrieden. Lebendig. Ganz ohne mich zu verfahren gelingt es mir auf Anhieb, den richtigen Kanal zu erwichen. Lange bin ich aber nicht auf ihm und schon bald finde ich mich auf dem Witte Brekken wieder. Von hieraus kann man bereits Sneek sehen. Und ich bin tatsächlich nicht alleine auf dem Wasser. Gleich mehrere Angler sitzen auf ihren Booten und versuchen ihr Glück. Wenn ich vorbei fahre sehen sie überrascht auf. Ist es wirklich so verrückt, das jemand im März hier unterwegs ist? Sind die doch auch!
Allerdings lässt der Wind allmählich nach und ich komme immer langsamer voran. Ein Blick auf die Seekarte beruhigt mich. Es ist nicht mehr weit bis zu meinem Ziel für den heutigen Tag. Und nachher muss ich eh den Mast legen – aber bis dahin kann ich auch noch ruhig langsam segeln. Hab ja keinen Stress, die schnelle Fahrt bis hierher hat einiges an Zeit wieder rausgeholt. Und wer weis, bei dem Wetter bisher kann ich mich nicht darauf verlassen noch mal so einen tollen Segeltag zu haben. Das will ich auskosten und nicht unnötig paddeln.
Recht weit im Norden des Sees biege ich auf einen Kanal nach Nord-Osten ab. Mein Ziel ist nicht etwa eine Marina in Sneek sondern ein Marrekrite-Platz am Ortseingang. Doch der Weg dorthin wird mir gleich von mehreren Brücken verwehrt und so sehe ich mich nicht nur gezwungen das Segel einzuholen sondern muss gleich den Mast abbauen. Bevor es aber soweit ist greift noch einmal eine Böe ins Segel und ich treibe nicht nur über den Kanal sondern kann richtig Segeln. Was für ein Genuss –ich bin für jede Sekunde dankbar. Kurz vor der Brücke lässt der Wind dann wieder nach, fast so als wäre diese Böe sein Abschied für heute gewesen.
Ich muss schon wieder auf’s Klo – irgendwie bekommt ein Liter Kaba meiner Blase nicht gut. Wenn ich wasser Trinke muss ich nicht alle paar Stunden was ablassen…
Doch hier sind Überall Menschen unterwegs, ich habe das Gefühl mitten im Ort zu sein – und da werde ich ganz gewiss mich nicht hinstellen und…
Und so beschließe ich mich ins Zeug zu legen und meinen Liegeplatz für die Nacht zu finden.Es geht, vorbei an Häusern und einem Jachthaven durch mehrere Brücken. Das ich nicht mehr segeln kann nervt mich ein wenig, andererseits ist hier eh kein Wind – und weit ist’s ja auch nicht Mehr. Bald schon habe ich den Kanal erreicht der nach Sneek hinein führt. Anstatt diesem zu folgen entferne ich mich einige Meter von der Stadt und biege dann auf eine Art Nebenarm ab. Hier soll es insgesamt drei – DREI – möglichkeiten geben für mich mein Zelt aufzuschlagen. Nur wo? Als erstes suche ich den Liegeplatz, den ich gen Norden zu wissen glaube. Nun, vielleicht war er mal da. Wenn dem aber so ist, dann gibt es ihn nicht mehr – oder ich war einfach Blind. Denn da war… nichts. Nicht nur kein Platz an dem ich hätte Zelten dürfen – nein, hier war gar kein Marrekrite-Platz. Also wieder gen Süd-Ost paddeln. Hier kann ich zwei Stege ausmachen. Da muss ich hin.
Und tatsächlich: Hier, auf einer kleinen Insel, direckt vor Sneek, kann ich anlegen und kostenlos Zelten. Kaum zu glauben…
Allerdings hat dies auch seine Nachteile: Die Laute der Zivilisation sind laut genug um bis hier her vorzudringen und so ist dieser Platz nicht ganz so idylisch wie meine letzten Lagerplätze. Ganz so wild ist’s aber auch nicht: Das geschnatter der Enten ist eindeutig lauter denn die Auto’s und Menschen in der Ferne. Ich gönne mir ein Abendessen und mache Notizen für den Blog. Es war ein toller Tag und ich kann nur hoffen, noch mehr dieser Art zu bekommen…
Die Ereignisse in diesem Teil geschahen am 11.03.2015
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