Etwas Segeln

Ich werde von der Kälte geweckt. Obgleich ich mich pudelwarm eingepackt habe und wohl schon erschreckende Ähnlichkeiten mit dem Michelin-Männchen aufweisen dürfte, ist die Kälte bis auf die Haut vorgedrungen. Doch da auch bereits die Sonne am Aufgehen ist, beschließe ich mich aus dem Schlafsack zu pellen und aufzustehen. Draußen ist es… weiß. Nicht nur etwas frost, nein, wirklich weis.

IMG_0431Überall hängt der Frost, stellenweise ist es rutschig. Der Steg ist vereist. Doch dies alles ist mir egal denn ich habe überraschend gutes Wetter. Ein fast blauer Himmel, die Sonne scheint warm auf meiner Haut – jedenfalls dort, wo sie nicht von mindestens zwei Schichten Kleidung bedeckt ist – und eine leichte Briese streicht über das Wasser. Ich könnte also segeln.

Segeln? Eigentlich war für heute paddeln angesagt. Durch x Brücken – da jedes Mal den Mast zu legen und zu stellen wäre… stressig. Vielleicht raus aufs Sneeker Meer?

Aber nein – genau von dort kommt der Wind, ich käme praktisch nirgendwo hin. Und ich habe nur zwei Tage zeit, dann muss ich irgendwo etwas bleiben – der Wind soll zu stark werden. Also – heute den ganzen Tag hier herum segeln und dann in irgend einem Nest hängen bleiben – für mehrere Tage (alleine die Vorstellung ist… unschön. Ich will doch ans Meer!). Oder heute Paddeln. Die Entscheidung fällt zwar schnell, tut aber etwas weh. Ich werde paddeln. Nach einem Frühstück – es gibt mal wieder Vla, ich liebe dieses Zeug, beginne ich meine Sachen zu packen. Das Eis auf dem Steg ist mittlerweile so weit getaut das ich darauf gehen kann – ohne das eben dies zu einer Rutschpartie wird. Fast schon habe ich den ersten Seesack auf BEA verfrachtet, da kommt mir eine Idee. Warum nicht wenigstens bis zur ersten Brücke segeln? Ich muss bis nach Sneek rein – unter Paddel bestimmt zwanzig, dreißig Minuten. Das ist doch was. Hier ist das Boot fest, Mast stellen – kein Problem. Und dort, wo die erste Brücke ist war ich letztes Jahr schon mal. Auch dort kann ich problemlos festmachen. Also ist auch Mast legen keine Wackelpartie. Auf dem Wasser kann das etwas schwierig werden, wenn man nirgendwo fest machen kann. Aber hier… das dürfte gehen!

Ab, ins Boot gehüpft, Mast aufgestellt und schon konnte die Packerei weiter gehen.

Mittlerweile habe ich darin Routine, und so kommt es das ich bereits kurze Zeit später abfahrbereit bin.

Es ist zwar nur eine kurze Strecke und ich könnte auch mit komplett gesetztem Segel segeln – aber so ganz traue ich dem Wind nicht. Außerdem… vielleicht habe ich so fünf Minuten mehr segeln. Und etwas unvernünftig darf man ja wohl sein?

Kaum sind die Leinen los greift der Wind ins Segel und bringt uns raus aufs Wasser. Es ist angenehm, die Pinne in der einen, die Schot in der anderen, so über das Wasser zu gleiten. Kurz hadere ich mit meiner Entscheidung. Vielleicht doch raus aufs Sneeker Meer kreuzen und dort segeln? Ich könnte die Nacht auf einer der Inseln verbringen – dort war ich bereits letztes Jahr, ein toller Ort!

Dann bin ich auf dem Kanal und fahre in die Stadt. Ich will ans Meer. Jetzt. Zwei Tage gutes Wetter – mehr bleibt mir nicht, entweder ich bin dann am Meer, oder ich hänge erstmal im Landesinneren fest. Mit meinem Boot und um diese Jahreszeit ist es praktisch ausgeschlossen das ich es schaffe an einem Tag bis ans Meer zu kommen. Einzig mit einer Nachtfahrt dürfte dies möglich sein. Und mal ehrlich – zwar könnte ich mit meiner Taschenlampe für die Lichterführung sorgen, aber solange ich darauf verzichten kann möchte ich eben das auch tun. Nicht mit BEA.

Gemeinsam überqueren wir ein Aquadukt – ich freue mich wie ein kleiner Junge. Die Dinger sind einfach… cool. Ich finde die Vorstellung über Autos hinweg zu segeln einfach herrlich.

Kurze zeit später winken mir drei junge, gutaussehende Niederländerinnen zu. Im Gegenzug bekommen sie ein lächeln und ich winke zurück. Hach, ist es nicht schön der einzige auf dem Wasser zu sein – und dann noch mit so einem tollen Boot?!

Dann komme ich in bekanntes Terrain. Hier geht der Kanal zum Yachthafen ab. Letztes Jahr hatte ich dort eine Nacht verbracht. Da war mein Liegeplatz dieses Mal schöner. Wobei dies sicherlich Geschmackssache ist.

IMG_0445

Zu meiner Überraschung sehe ich immer wieder Angler, die es sich am Ufer gemütlich gemacht haben und angeln. Mitten in der Stadt! Ein, für mich ungewohnter Anblick.

Viel zu schnell erreiche ich die erste Brücke.

Hier, mitten in der Sneeker Altstadt hatte ich letztes Jahr meinen Plan geändert, den Mast gestellt und die Segel gesetzt. Doch dieses Mal spare ich mir das. Mein Plan bleibt bestehen. Nicht nur, das ich nicht genau den gleichen Weg wählen will wie beim letzten Mal. Unterwegs gibt es auch auf dieser Strecke einige Brücken die mir im Weg wären. Während der Saison kein Problem – die öffnen sich bis Bolsward alle – aber aktuell sind die noch alle unbesetzt und ich werde nicht anfangen wegen jeder Brücke herumzutelefonieren.

Ich bin froh, wenn ich die Technik nicht brauche. Nicht grundlos ist die einzige Elektronik die ich mitführe eine Kamera und ein ganz normales Outdoorhandy – ohne Internet – für Notfälle.

Schweren Herzens mache ich fest. Ich habe gerade erst das aller erste Stückchen der Strecke, die ich heute machen muss zurück gelegt – und doch weis ich, das ich heute nicht mehr segeln werde.

Am Rand, gleich vor der Brücke (man will schließlich so viel wie möglich segeln), mache ich fest und tue, was getan werden muss.

Dann geht die Fahrt weiter.

 

Die Ereignisse in diesem Teil geschahen am 12.03.2015

Zurück zum Anfang des Törns: KLICK

Mehr Bilder auf Flickr: KLICK

Hier geht’s weiter: KLICK

Follow me on: Facebook  Twitter  RSS

Sebastian