Kanalfahrt: Vom Salz eines Segeltörns

Die Nacht habe ich vor einer Brücke nicht weit vor Leuwaarden verbracht. Nach zwei sehr langen Tagen auf dem Wasser genieße ich es ganz ohne Wecker ausschlafen zu können. Nichtmals Ankerwache muss ich halten – ich liege ja hier einfach am Kanalrand. Nach einem ausgedehnten Frühstück mit niederländischen Leckereien geht es schließlich pünktlich um neun Uhr weiter. Ab sofort werden sich die Brücken wieder öffnen.

Bereits kurz nach der Brücke erwartet mich eine Überraschung. Ich muss in Richtung Dokkum weiter. Den Weg kann ich ganz genau meiner Wasserkarte von Friesland aus 2014 entnehmen. Klar, es gibt mittlerweile viel mehr Windräder als eingezeichnet sind. Und eine Tankstelle hat vielleicht zu gemacht. Aber sonst – was soll sich schon groß verändern?

Nun, offensichtlich auch die Kanäle selbst. Denn nun steht hier vor mir ein Schild das den Weg entlang der Staande-Mast-Route weist. In einen Kanal mit festen Brücken. Laut meiner Wasserkarte. Kurz zögere ich, folge dann aber der Beschilderung. Die Niederländer werden schon wissen warum sie so etwas hier aufgestellt haben. Und tatsächlich, nach der nächsten Kurve erwartet mich statt einer festen eine neue Hebebrücke.

Recht zügig geht es weiter – bis zur nächsten Brücke. Hier ist schnell Klimpergeld raussuchen gesagt. Denn wie es aussieht werde ich heute zum ersten Mal in meinem Leben Brückengeld bezahlen. Während meiner Törns mit BEA habe ich keine Brücken durchquert bei denen dies nötig gewesen wäre. Und wenn doch, ich hätte wohl den Mast gelegt und wäre unter der geschlossenen Brücke hindurch gepaddelt.

Nun, das ist natürlich heute keine Option mehr. Ganz abgesehen davon ist das Ganze auch ein echtes Schauspiel, ein Beweis niederländischem Pragmatismus. Wo es in Deutschland wohl aufwändige Apps, verfahren und ähnliches gegeben hätte – man denke nur mal an die Problemen mit den Kanalgebühren auf dem Nord-Ostsee-Kanal – da machen es die Niederländer ganz einfach. Und nebenbei noch so charmant das man gerne die Gebühr bezahlt!

 

Bei der Durchfahrt durch die Brücke lässt die Brückenwärterin einen Holzschuh er an der langen Angel hängt hinab. Dieser Schwingt und muss von den Bootsfahrern aufgefangen werden. Nun steckt man einfach das Brückengeld – hier sieben Euro für alle Brücken in Leuwaarden – in den Holzschuh und hat so das Brückengeld bezahlt. Das ganze passiert mit einem zügigen Tempo. Bei den Booten die mit einer Öffnung hindurch wollen würde es sonst auch ewig dauern. Man fährt ganz normal durch die Brücke durch, das Bezahlen läuft faktisch nebenher. Entsprechend sollte man besser passend bezahlen – Wechselgeld während einer Brückendurchfahrt dürfte praktisch unmöglich sein.

Schon liegt die Brücke hinter mir. Zu doof das ich davon kein Foto gemacht habe – doch ich bin schon vor der nächsten Brücke und zudem voll und ganz damit beschäftigt die Stadt in mich aufzunehmen. Leuwaarden ist eine große Stadt. Hier fährt man als Bootsfahrer durchaus auch zwischen modernen Hochhäusern hindurch. Und doch, der Kanal ist gemütlich, umgeben von viel Grün. Eine Brücke folgt der nächsten und schon bald bin ich praktisch durch Leuwaarden hindurch. Mehr und mehr mache ich mir Gedanken um meine Dieselreserven.

Die Kanister sind leer, der Tank ist auch definitiv nicht mehr voll. Vermutlich könnte ich es noch geradeso bis Lauwersoog schaffen. Doch das wäre definitiv knapp. Und da ich den Füllstand nur mit einem in einen Stock eingeritzten Markierungen messe, das Restvolumen nur schätzen kann, ist mir das nichts. Selbst Dokkum mag ich nicht riskieren. Nein, noch in Leuwaarden muss getankt werden.

Als ich die Bootstankstelle ansteuere wird mir etwas mulmig. Zwar ziehen sich keine Spinnenweben über die Zapfsäule, doch ein Mensch ist weit und breit nicht zu sehen. Des wäre nicht weiter tragisch gäbe es eine Bezahlstation. Doch auch diese kann ich nicht entdecken. Doch egal wie: Ich werde hier tanken. Entweder an der Bootstanktstelle – oder zu Fuß mit Kanistern an Land.

Auf der Suche nach jemand verantwortlichen laufe ich umher, halte Ausschau – und finde tatsächlich jemanden.

Ein älterer Herr kommt aus einem Haus, öffnet die Tankstelle und lässt mich tanken. Alle Kanister und natürlich der bootseigene Tank werden gefüllt. Endlich kann ich wieder durchatmen. Ich habe genug Diesel um durch die Niederlande zu kommen – und noch bedeutend weiter. Hoffentlich auch wieder zurück nach Deutschland, will ich doch nicht übermäßig viel dieseln. Jetzt wo ich getankt habe weiß ich: Im Tank waren nur noch etwa zehn Liter Diesel. Bei einem Liter pro Stunde machen das etwa zehn Stunden unter Motor. Es hätte wohl noch bis Lauwersoog reichen können – aber definitiv nur gerade so. Und bei auch nur etwas Welle auf dem Lauwersmeer hätte ich riskiert das es zu Problemen käme. Gut das ich getankt habe.

Weiter geht es über die Kanäle. Sie sind schön, ich genieße das Grün und die Tiere um mich herum. Hier und da tauchen kleine Dörfer am Kanalrand auf, lieblich liegen die zumeist alten Häusschen mit wunderschönen, teils gar parkähnlichen Gärten am Kanal. Immer wieder liegen Boote neben den Häusern, betonen die stark wasserorientierte Kultur dieses Landes. Es ist wunderschön, auch jetzt mit dem verschobenen Blickwinkel. Statt auf Augenhöhe mit dem Schilf unterwegs zu sein schwebe ich nun deutlich über der Wasseroberfläche, kann das Land hinter den langen Halmen erkennen. Und es ist wahrlich ein Anblick!

Und doch, ich vermisse die See. Das Salz in der Luft, die Weite von Himmel und Wasser, der Horizont an dem, kaum erkennbar, Wasser und Himmel sich zu berühren wagen. Ich vermisse das Gefühl unendlicher Freiheit. Ich vermisse das Segeln, die Navigation, die Zeit. Denn obgleich man auf den langen Kanälen unglaublich viel Zeit damit verbringt gefühlt nichts zu tun, man ist doch irgendwo immer beschäftigt. Wäre man unaufmerksam, es würde wohl nicht lange dauern und das Boot würde im Ufer oder schlimmer noch, auf einem anderen Boot hängen.

Beides darf natürlich nicht passieren. Und so verbringt man die Stunden damit ruhig an der Pinne zu sitzen und geradeaus zu steuern. Eine monotone Tätigkeit die doch zugleich den Geist zu beruhigen vermag. Ich vermisse die See. Und doch genieße ich auch die Kanalfahrt. Die Abwechslung ist eine Bereicherung, die Monotonie einer Kanalfahrt gewissermaßen das Salz des Törns. Zu viel davon ist nicht gut, vergisst man es aber, lässt es weg, so würde auch etwas fehlen.

Schließlich, in Birdaard, endet meine Fahrt fürs erste. Hier versperrt mir eine Brücke den Weg – Mittagspause. Kaum zu erwähnen das die Pause gerade erst angefangen hat. Doch, ich mag mich nicht beklagen. So habe auch ich Zeit für eine Pause. Bea Orca wird fest gemacht, ich packe eine Tüte Vla aus und blicke voraus. Da vorne, am anderen Ende des winzigen Dorfes gibt es eine Windmühle. Die mag ich mir gleich noch ansehen. Ich liebe Windmühlen.

Wie steht ihr zu Kanalfahrten? Höchstens ein notwendiges Übel oder doch etwas das euch hin und wieder Spaß macht? Oder seit ihr vielleicht auch begeistert von ihnen? Lasst es mich in den Kommentaren wissen.

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Sebastian