Der Vormittag ist schon weit fortgeschritten als ich schließlich die Leinen löse. Noch immer Flaute. Das Wasser ist glatt wie ein Spiegel, die Grashalme regen sich nicht. Kein Segeln. Es geht gleich los mit gelegtem Rigg. Was würde es auch bringen das Segel zu setzen – ohne Wind?
Und ich möchte noch ein letztes Mal einen neuen Kanal erkunden. Ein letztes Mal neues sehen. Etwas erkunden. Gemütlich paddle ich den Kanal nach Norden. Das Stück kenne ich, es ist das dritte Mal während dieses Törns, das ich diese Strecke zurück lege.
Obwohl ich nur halbherzige paddle bin ich schnell an der Brücke. Ob ich wohl den Kanuten noch mal treffe? Er wollte ja nach Stavoren und dann auf dem Rückweg hier vorbei kommen. Aber nein, wohl kaum. Ich habe mir viel Zeit gelassen und er war zügig unterwegs. Egal. Eigentlich ganz nett hier. Zwar verläuft gleich neben dem Kanal eine Straße, doch ist auf ihr nicht viel los. Selten fährt mal ein Auto vorbei. Etwas öfters jemand auf dem Fahrrad. Leise plätschernd schiebt sich BEA durch das Wasser gen Westen. Es ist ruhig hier. Das Wetter ist trist, ich bin nur wenig motiviert zu paddeln. Die Strecke es nicht weit, es gibt keinen Grund mich zu beeilen. Es hat etwas befreiendes. Die Zeit verliert jegliche Bedeutung. Warum sollte ich mich auch darum sorgen? Von ihr bin ich in einer Stunde in Warns, beim Auto. Zu Fuß. Und BEA könnte ich überall aus dem Wasser holen.
Will ich aber nicht. Es ist schön hier, gemütlich. Aber rudern mag ich gerade auch nicht. Warum mache ich es dann?
Kurzerhand verstaue ich das Paddel und lasse mich treiben. Ich bin alleine auf dem Kanal, es gibt keine Strömung, kein Wind. Doof zum Segeln. Aber wunderbar um einfach mal nichts zu tun. Kurzerhand öffne ich eine Tasche und packe das Buch das ich aktuell lese aus. Es ist das letzte das ich dabei habe und noch nicht während dieses Törns durchgelesen habe. Wenn das durch ist war’s das, kein neuer Lesestoff mehr. Ist aber auch egal. Es ist gerade so eine richtig schöne Atmosphäre zum Lesen. Ein ruhiger Kanal, in der Natur, auf dem Wasser. Und unter meiner Kleidung ist es sogar mollig warm. Nur meine Hände frösteln etwas, sind leicht rot. Aber es ist nicht weiter tragisch.
Es ist ein lustiges Buch, nichts Ernstes. Von Zeit zu Zeit durchdringt mein schallendes Lachen die Stille. Ansonsten ist es ruhig. Die Atmosphäre macht es mir besonders leicht ins Buch abzutauchen, zu träumen. Es ist einfach schön hier. So schön. So ruhig. Friedlich.
Ich gleite mehr und mehr zwischen die Seiten, verliere mich. Ich lese gerne und hier, auf dem Wasser macht es besonders viel Spaß.
Ein „Hoi“ lässt mich aufschrecken. Ich sehe Kinder die auf ihren Rädern unterwegs sind. Mit Schultaschen. Schon so spät? Vielleicht sollte ich mal wieder weiter paddeln?
Lustlos greife ich zum Paddel und steche es ein, zwei mal ins Wasser. Aber was soll’s. Ich hab’s noch immer nicht eilig, es ist ja nicht weit bis Stavoren. Und hier ist es schön. Ich mag mich nicht beeilen – und das Buch ist gerade wirklich spannend. Heute ist Wettermäßig einfach ein Lesetag. Bewölkt, kühl, Flaute. Ein heißer Kaba wäre jetzt schön. Aber ansonsten ist es gerade zu schön um einfach weiter zu paddeln. Und so verstaue ich das Paddel wieder und lese einfach weiter. Es macht einfach Spaß.
Schließlich rapple ich mich doch noch auf und greife wieder zum Paddel. Nicht etwa weil ich keine Lust hätte zu lesen – es hat wirklich Spaß gemacht. Und auch nicht wegen der Temperaturen. Das habe ich ja schon lange raus, kalt wird mich nicht mehr so schnell. Für die kalten Finger habe ich schließlich meine Handschuhe mit geholt, nicht solche halb offenen die ich normalerweise fürs Segeln habe sondern warme, gefütterte. Eigentlich gar nicht fürs Segeln geeignet. Wenn sie nass werden, sind sie erstmal nass. Aber solange sie trocken sind, sind sie wirklich warm!
Nein, es ist meine Blase. Ich muss mal. Natürlich hätte ich einfach an Land gehen können und es laufen lassen – aber das hier ist mir doch etwas sehr öffentlich dafür. Alle paar Minuten fahren aktuell Schulkinder vorbei. Und die müssen mich nicht unbedingt dabei beobachten. Also wird mal wieder gerudert.
Unter einer Brücke mache ich eine kurze Pause bevor es weiter geht. Vor mir liegt Molkwerum. Der Ort überrascht mich positiv. Sieht gemütlich aus. Ruhig, friedlich, sicherlich einen Besuch wert. Soll ich vielleicht anlegen?
Aber nein, ich genieße es gerade so sehr auf dem Wasser zu sein, das mag ich nicht unnötig unterbrechen. Und so geht es langsam weiter über den Kanal. Kleine Wellen Bilden sich während sich BEA durch das Wasser schiebt, es sieht schön aus.
Am Ortsausgang passiere ich einen Campingplatz. Soll ich vielleicht fest machen? Hier ist auch gleich der Deich zum Ijsselmeer. Aber nein, wofür? Ich will nach Stavoren. Und von da sehe ich auch das Ijsselmeer. Langsam, gemütlich geht es weiter. Kaum lasse ich Molkwerum hinter mir erwartet mich ein wahres Naturparadies. Ich bin mir nicht sicher ob ich traurig sein soll das hier so viele Wassersportler nie hinkommen, schlicht wegen der Brücken. Oder ob ich mich freuen soll. Auf jeden Fall ist es einer der Schönsten Kanalabschnitte die ich in ganz Friesland gefunden habe. Und selbst das triste Wetter mag daran nichts ändern.
Hat’s euch gefallen? Dann lasst doch ein Kommentar da, teilt den Beitrag und folgt meinem Blog!
Die Ereignisse in diesem Teil geschahen am 20.03.2015
Zurück zum Anfang des Törns: KLICK
Bilder zum Törn: KLICK
Wie immer: Gut und kurzweilig geschrieben.
Aber: Kaum habe ich mich wieder in Deinen Törn eingelesen, ist der Artikel schon zu Ende und
ich muß wieder eine Woche auf die Fortsetzung warten. Schnüff ;-))
War das schön, als ich Deinen Blog neu entdeckt hatte. Da konnte ich Stunden und Tage am
Stück lesen, ohne mich immerwieder neu hineindenken zu müssen. Das ist natürlich keine
Kritik an Dir, sondern eine Tatsache mit der man Leben muß.
Ich liebe die romantischen Bilder von den Wasserstraßen in den Ortschaften.Traumhaft.
Und ich liebe Reiseberichte mit kleinen Booten.
Mit Passagierdampfern kann ich nichts anfangen: laaaaannngweilig.
Mach weiter so, und immer eine handbreit……
Gruß Ralf
Hallo Ralf,
es freut mich sehr das dir mein Blog so gut gefällt. Und ausgerechnet diese Woche musst du keine Woche warten – der nächste Teil ist gerade online gegangen 🙂
Aber würde ich alles auf einmal veröffentlichen wäre es ja irgendwie auch doof – was sollte ich denn dann den Rest des Jahres hier auf dem Blog veröffentlichen? 😀
Grüße,
Sebastian