Ich rudere die letzten Meter gegen den Wind. Obwohl ich weiß, dass ich auf dem nächsten Kanal bis Heeg Wind von der Seite haben werde bin ich frustriert. Ich hatte gehofft auf diesem Abschnitt segeln zu können. Aber der Wind ist zu stark, egal welcher Kurs, heute kann ich das Segel nicht hissen. Dabei hatte ich mich schon drauf gefreut.
In der Ferne ziehen dunkle Wolken auf. Die nächste Front. Dann habe ich es endlich geschafft, das Stück gegen den Wind liegt hinter mir. BEA wendet sich gen Süden, eine starker Wind pustet über den Kanal. Doch was mich innerlich wirklich zusammen zucken lässt, ist der Anblick des Himmels. Im Südwesten, gar nicht mal weit weg erblicke ich ein Gebilde, das mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Aus den schon tief hängenden, schwarzen Wolken scheint sich eine Art Röhre zu bilden. Es sieht so aus als würde sie bald den Boden berühren. Ist das etwa…
Hastig Atme ich tief ein, bei dem Anblick hatte ich aufgehört zu Atmen. Eine Windhose. Kann das wirklich sein? Von so was hört man in den Nachrichten, irgendwo in der Ferne. Nein, das hier muss Einbildung sein. Nur Wolkenfetzen. Oder? Ich kann mich selbst nicht so recht überzeugen und beschließe so schnell wie möglich nach Heeg zu kommen um dort fest zu machen. Hunger, die Freude daran auf dem Wasser zu sein, Abenteuerlust. Von einer Sekunde auf die Nächste ist all das verschwunden. Alleine die Angst vor dem was da auf mich zuhält lässt mich weiter rudern, mit aller Kraft ziehe ich das hölzerne Paddel durch das Wasser.
Ein Blitz erhellt den Himmel, kurz darauf knallt es. BEA ist innen wie außen Nass, durch die Lecks ist das Feucht im Boot mit dem außen verbunden. Die einzige Isolation zwischen mir und einem möglichen Blitzeinschlag bilden meine Gummistiefel vom Outdoorhandel. Doch auch die Schläuche und mein Ölzeug sind feucht. Was passieren würde, wenn der Blitz in der Nähe ins Wasser schlagen würde…. ich mag es mir nicht vorstellen.
Kurz überlege ich umzukehren, den Marrekrite-Platz den ich erst vor kurzem passiert habe anzulaufen. Aber was dann? Zelten darf ich da nicht. Ich muss also irgendwann weiter. Und voraus kann ich bereits Heeg sehen.
Plötzlich höre ich das Rattern eines Motors ganz in meiner Nähe. Ein Blick nach achtern zeigt mir eine große Motoryacht die sich mir nähert. Ob sie mir wohl helfen würden? Ich muss in einen Hafen, das Wetter ist mir zu unheimlich. Aber wie fragen? Der Wind und das Gewitter – ich müsste wohl schreien. Dann fällt mir ein, was ich mal im Internet gelesen habe. Kurzerhand schnappe ich mir eine Leine und halte sie nach oben. Ein – hoffentlich – leicht verständliches Signal. Ich hoffe auf ein Schlepp.
Und tatsächlich, die Yacht stoppt neben mir auf und befestigen die lange Leine an einer Klampe. Dann wird der Hebel wieder umgelegt und sie fahren mit einer für meine Verhältnisse hohen Geschwindigkeit weiter. Die Leine spannt sich und BEA springt los.
Normalerweise hätte ich bei so einem Tempo die Leine gelöst, doch da mittlerweile Blitz und Donner zeitgleich auftreten bin ich froh darüber. Plötzlich erscheint eine Frau auf der Badeplattform und fragt mich, ob ich eine heiße Suppe mag. Mag ich? Meinen Hunger hatte ich vollkommen vergessen. Doch da BEA kräftig durchgeschüttelt wird erscheint es mir nicht klug etwas heißes – und dann auch noch flüssiges – zu mir zu nehmen. Dankend lehne ich ab. Ich will nur noch in den nächsten Hafen. Fest Boden unter den Füßen haben. Durchatmen können, mir überlegen wie es weiter gehen soll. Vermutlich nicht mehr sonderlich weit.
Obwohl die Motoryacht eigentlich weiter nach Süden wollte biegen sie in Richtung Heeg ab. Hier, mitten im Unwetter, wäre ich gar nicht mehr vorwärts gekommen. Wie es auf der Route direkt übers Heeger Meer gewesen wäre mag ich mir nicht erst vorstellen.
Schließlich erreichen wir eine Brücke, die der hohen Motoryacht das Weiterkommen verhindert. Doch mittlerweile sind wir im Schutz der Häuser, der Wind ist hier deutlich schlechter. Die Leine wird gelöst und ich mache mich alleine auf dem Weg in die Innenstadt.
Vorbei an einigen schönen, alten Plattbodenseglern geht es in die Altstadt von Heeg. Kaum habe ich am Kanalrand festgemacht springe ich an Land. Auch wenn das Unwetter über mich hinweg gezogen ist: Ich muss runter kommen. Noch immer pulsiert das Adrenalin in meinen Adern, die Beine sind zittrig. Zudem kommt jetzt, wo ich an Land bin rasend schnell der Hunger zurück. Es ist schon früher Nachmittag – selbst für ein Mittagessen wäre es bereits spät. Und ich hab noch nicht einmal gefrühstückt!
Schnell geht es zum Supermarkt wo ich mich mit allerlei Leckereien eindecke bevor ich mich zurück bei BEA niederlasse um mir Gedanken über den weiteren Tag zu machen. Mein Plan war gewesen über die kleinen Seen hinter Heeg mich ins Grutte Gaastmeer zu begeben um dort am Marrekrite-Platz zu übernachten. Allerdings bin ich kaputt, hab kaum noch kraft. Mein Wetterbericht, den ich mir vor drei Tagen in Harlingen besorgt hatte ist zudem auch noch eindeutig nicht mehr zuverlässig. Ich will nicht am Ende auf der Insel dort eingeweht sein. Dafür fehlen mir im Moment die Vorräte – und die Nerven.
Also bleibe ich in Heeg. Nur wo? Ich könnte mich vom Wind den Kanal runter zum Marrekrite-Platz pusten lassen. Vorteil: Es ist dort wirklich ruhig – und kostet mich nicht. Alternativ könnte ich gegen den Wind über das Heeger mehr paddeln um in den Passantenhaven zu kommen. Prinzipiell dürfte es leichter für mich sein zum Marrekrite-Platz zu kommen. Allerdings habe ich nicht mehr viel zu lesen – und Heeg bietet dann doch deutlich mehr Möglichkeiten etwas zu unternehmen. Obwohl ich hier auch bei den beiden vorhergegangenen Törns war hab ich die Stadt noch nicht wirklich erkunden.
Und so entscheide ich mich schließlich dafür den schweren Weg übers Heeger Meer zu versuchen.
Kaum habe ich den Windschutz verlassen ergreifen hohe Wellen meine Kleine.
Ihr habt es vielleicht schon gemerkt: Von dem Abschnitt gibt es keine Bilder. Das war einfach nicht mehr möglich.
Die Ereignisse in diesem Beitrag geschahen am 03.09.2015.