Oder: Fazit meiner ersten Saison auf der Nordsee. Vor Kurzem schrieb ein Leser hier auf dem Blog in die Kommentare:
„ Schön geschrieben. Der Weg vom Schlauchi zum Kielboot war wohl doch nicht so schwer.“
Stimmt – und von den Friesischen Binnengewässer zur Nordsee war auch machbar.
Im Sommer habe ich mir mit Bea Orca mein erstes Seegängiges Boot gekauft. Abgesehen von ein paar Tagen auf dem Ijsselmeer 2012 waren meine sämtlichen Vorerfahrungen auf Jollen entstanden. Und das größtenteils auf BEA, meinem sechs Fuß Schlauchsegelboot. Und: Alles Binnen. Ich war vorher, sieht man von einem wenige Minuten dauernden Probeschlag vor Eckernförder ab, noch nie auf See gewesen. Der Sprung war also nicht nur von einer Jolle, einem Schlauchsegelboot zu einem britischen Panzerkreuzer, der nicht nur fast drei mal so lang war, sondern statt 30 Kilo mal eben anderthalb Tonnen Leergewicht auf die Wage brachte. Nein, ich wechselte dabei auch noch von den gut geschützten Friesischen Binnengewässern auf die Nordsee. Kein kleiner Schritt. Kann so etwas gut gehen?
Meine Antwort nach der ersten Saison mit 440 Seemeilen, größtenteils Einhand ist ein ganz klares Ja. Aber…
Aber:
Langsam, vorsichtig. Die Nordsee kann ein traumhaftes Revier sein. Doch sie kann auch ihre Zähne zeigen. Wenn man nicht aufpasst oder sich selbst überschätzt, so geht das schnell ins Auge. Mir geschah dies gleich beim ersten Schlag. Ordentlich Wind, stellenweise auch noch gegen den Strom. Dann wurde ich Seekrank. Da alle guten Dinge drei sind hatte ich auch noch Probleme mit dem Motor. Und das auf einem Schlag von 50 Seemeilen. Alleine.
Das würde ich heute definitiv nicht mehr als ersten (oder zweiten. Oder dritten…) Schlag machen. Wenn tatsächlich ein langer Schlag als erster Schlag „Nötig“ ist, beispielsweise für eine Überführung, so kann ich nur empfehlen jemanden mit Erfahrung mitzunehmen. Ich weiß, das kann nerven wenn man dann wohlmöglich ein gutes Wetterfenster verstreichen lassen muss, nur damit jemand dabei ist. Und wenn dann mal jemand Zeit hat, passt das Wetter wieder nicht. Klar. Trotzdem: So ein langer Schlag als erster Seeschlag, das ist vermutlich nirgendwo eine gute Idee. Aber auf der Nordsee ist das eine verdammt beschissene.
Lieber: Kurze Schläge. In meinem Fall hätte das bedeuten können bis August zu warten. Da hatte ich ja Urlaub. Ich hätte gemütlich von Hooksiel nach Wilhelmshaven, vielleicht noch in den Jadebusen, dann nach Fedderwardersiel, Bremerhaven und schließlich gemütlich durchs Elbe-Weser-Wattfahrwasser nach Cuxhaven. Zumindest der Teil des Törns den ich mittlerweile kenne ist wirklich schön. Und, bereitet man sich stets gründlich vor, wartet auf passendes Wetter und macht es ganz gemütlich, ohne Druck auch als Anfänger gut machbar. Ich kenne zwar nur was Wattfahrwasser zwischen Dorum und Cuxhaven, glaube aber, das es für den Rest ebenfalls gelten dürfte. Jedenfalls verglichen mit dem Weg außen rum.
Ich hab es ja schon erwähnt: Ein weiter wichtiger Punkt ist das Wetter. Denn Wind ist nicht gleich Wind. Vier bis Sechs Windstärken aus West sind nicht viel, wenn man von Cuxhaven nach Brunsbüttel segelt. Macht man bei gleichem Wind die Strecke in die andere Richtung wird es schnell sehr ungemütlich. Daher ist es gleich doppelt wichtig den Törn ans Wetter anzupassen. Das hatte ich ja glücklicherweise schon von BEA gelernt, mit der ich nicht kreuzen konnte. Aber auch hier muss man sagen: Bis vier Windstärken ist auch Wind gegen Strom kein Hexenwerk. Bei mehr hört, zumindest für mich mit meinem 22 Fuß Boot zwar langsam der Spaß auf, doch selbst bei sechs Windstärken gegen den Strom auf der Außenweser habe ich mit an Bord meines Bootes sicher gefühlt. Zwar Seekrank, aber nichtdestotrotz: Sicher.

Ein Boot für die Nordsee muss vielleicht nicht für eine Atlantiküberquerung ausgerüstet sein. Seegängig sollte es aber, gerade als Anfänger, schon sein.
Das bringt mich zum dritten Punkt. Das Boot. Es wurde schon viel über das richtige Boot für die Nordsee geschrieben. Einem absoluten Anfänger im Seesegeln, der sich in den Kopf gesetzt hat das alleine zu lernen kann ich nur zu einem britischen Kimmkieler wie meiner Leisure 22 raten. In jedem Fall aber sollte man sich etwas solides holen, ein Boot das Fehler verzeiht. Und einem dem man wirklich vertraut.
Jetzt hat man ein Seegängiges Boot, macht Schläge von zwei bis drei Stunden, achtet aufs Wetter. Und jetzt? Jetzt heißt es sich an die eigenen Grenzen heran zu tasten. Ein Schlag mit auflaufender Tide von Cuxhaven nach Neuhaus beispielsweise ist kein Hexenwerk, passendes Wetter vorausgesetzt. Aber wie ist es mit einer Nachtfahrt auf der Außenelbe? Oder dem ersten Mal im Wattenmeer? Und dann, eine Nachtfahrt im Wattenmeer? Und natürlich ankern. Vielleicht vom Machen nicht anspruchsvoll, aber für den Kopf….
Natürlich wird man Fehler machen. Aber man wird auch unglaublich viel lernen.

Der erste Leuchtturm an dem ich ganz nahe vorbei segle…
Warum das ganze?
Die Nordsee ist anspruchsvoll. Man muss sich nach den Gezeiten richten. Im Wattenmeer fehlt ständig das Wasser, auf den Zuflüssen sind diese riesigen Pötte unterwegs. Warum sollte man als Anfänger hier segeln? Mit dem Auto ist man in wenigen Stunden an der Ostsee oder am Ijsselmeer. Für mich war der ausschlaggebende Punkt, dass ich nun mal in Cuxhaven, an der Nordsee wohne. Damit hatte sich für mich auch das Argument mit den Gezeiten erledigt. In Cuxhaven komme ich unabhängig von den Gezeiten aus dem Hafen – und muss dann eben mein Ziel an die Tide (und natürlich den Wind) anpassen.

Screenshot von Video: Delfin springt aus dem Wasser!
Doch würde es als Anfänger nicht eher Sinn machen erst einmal eine Saison auf Ostsee oder Ijsselmeer zu segeln? Ich glaube ehrlich gesagt nein. Wenn man hier unterwegs ist lernt man extrem viel – und extrem schnell. Mit 440 Seemeilen bin ich ja selbst noch absoluter Anfänger. Trotzdem kann ich besten Gewissens sagen: Hätte ich diese 440 Seemeilen – oder 880, oder noch mehr auf der Ostsee oder dem Ijsselmeer gesegelt, ich hätte verdammt viel, was ich jetzt weiß und kann nicht gelernt. Das Segeln mit den Gezeiten, zwischen Sanbänken und dicken Pötten und im Wattenmeer hat eben seine Eigenheiten. Und die lernt man am besten genau hier.

Auf der Oste
Zum anderen ist das Revier einfach unglaublich reizvoll. Von Cuxhaven aus geht es für mich erst einmal auf die Außenelbe. Hier habe ich starke Ströme, die mich schnell vorwärts bringen – Schnell kann hier eben wirklich jeder. Wenn ich will erreiche ich innerhalb von zwei bis drei Stunden, je nach Wind, die Oste. In der Mündung finde ich einen unglaublich schönen Ankerplatz. Die Oste hoch, was dank der Tide sehr gut geht, habe ich einen gemütlichen Fluss, der mich ein wenig an Friesland erinnert mit dem Schilf, den Bäumen und den Hebebrücken. Richtig gemütlich.
In die andere Richtung bin ich ebenso schnell im Wattenmeer. Faszinierende Sandbänke. Natur pur. Ein Revier, das zu Recht als Weltnaturerbe eingestuft wurde. Hier kann ich, wenn ich will und das Wetter mitspielt auch mal trocken fallen – was wirklich Spaß macht. Und beim nächsten Hochwasser geht es dann weiter nach Neuwerk, der Insel vor der Haustür. Ein Törn, den ich auch ganz gemütlich am Wochenende machen kann.
Fazit: Natürlich ist es klüger, seine ersten Schritte auf See NICHT alleine zu machen. Das dürfte einem einige Fehler ersparen. Und auch wenn die Lernkurve dadurch nicht ganz so steil ist: Es ist sicherlich die bessere Entscheidung. Doch weiß ich, schließlich bin ich selbst so jemand, das es Menschen gibt die sich in den Kopf setzen das eben selbst zu machen. Die nicht erst wochenlang bei irgend einer Segelschule einen Kurs machen wollen. Und die nicht bereit sind zu warten bis sie mal irgendwo mitsegeln können. Und genau zu diesen, und allen anderen die gerne einmal auf der Nordsee segeln wollen möchte ich zum Abschluss den wichtigsten Tipp, den ich im Voraus bekommen habe weitergeben:
Trau dich. Macht es!
Was ist eure Meinung zu dem Thema? Wann seit ihr zum ersten Mal auf der Nordsee oder einem anderen Gezeitengewässer unterwegs? Lasst es mich in den Kommentaren wissen.
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Mal wieder ein toller Beitrag Sebastian. Die Seebeine wachsen Dir schneller, als Du selbst gewagt hast zu glauben. Sei trotzdem vorsichtig.
Klar. Ich hab noch viel mit Bea Orca vor. Das geht nicht wenn sie oder gar wir beide auf dem Grund des Meeres liegen. Nicht das ich keine Fehler gemacht hätte oder machen würde. Aber bisher kann ich guten Gewissens sagen das ich aus den Fehlern gelernt habe 🙂
Viele Grüße,
Sebastian
Moin. Können wir bestätigen. Langsam und vorsichtig an die Nordsee herantasten und Ratschläge von Ortskundigen berücksichtigen, dann wird das was.
Immer eine Handbreit
Jörg
Oh ja, Ratschläge von Ortskundigen sind viel wert!
Viel Grüße,
Sebastian