Es ist ausgesprochen kühl als ich aufwache. Sicher, es war schon kühler während des Törns. Ich habe aber auch schon von Zelt und BEA das Eis gekratzt. Somit sollte ich das vielleicht nicht als Richtwert nehmen. Aber nach den letzten, warmen Tagen fröstelt es mir doch ein wenig. Oder liegt es vielleicht daran, das ich wieder außerhalb eines Ortes übernachtet habe? Vielleicht bilde ich es mir nur ein, doch es kommt mir vor als wäre es in den Orten stets wärmer gewesen.
Mich räkelnd verlasse ich das Zelt. Meine Isomatte schwächelt, sie hält die Luft nicht richtig drinnen. Und so habe ich die halbe Nacht mehr oder weniger auf dem harten Erdboden verbracht. Der ganze Rücken schmerzt. Draußen fällt mir eine weitere Erklärung für den kühlen Morgen auf. Es ist zugezogen, dämmrig. Die Sonne schafft es nicht die dichte Decke zu durchdringen, ohne ihre wärmenden Strahlen ist es kalt.
Während mein Blick über die Landschaft streift fällt mir ein Mann auf. Es ist der Kanut, der andere Camper. Der andere, der im Winter hier Zeltet. Mehr noch, derjenige, der nur unter einem Tarp und somit noch weniger geschützt als ich schläft. Er ist wach, ich bin wach – und so spricht für mich nichts dagegen kurzerhand trotz der frühen Stunde zu ihm zu gehen. Gut so, denn beim näher kommen fällt mir auf das er sich bereits fertig zum Aufbruch macht. Doch auch er ist alleine unterwegs und einem Gespräch nicht abgeneigt. Schnell ist die Sprachproblematik geklärt und wir erzählen uns von unseren Reisen.
Das heißt ich erzähle von meinen Reisen – er erzählt von seinen Ausflügen in seiner Heimat. Er wohnt nicht sonderlich weit weg und liebt es, genau wie ich, auf dem Wasser zu sein. Zwar ist für mich Rudern nur eine Notlösung und für ihn die Fortbewegungsart der Wahl, ansonsten gibt es aber viele Ähnlichkeiten. So finden wir beide, das man doch eigentlich das ganze Jahr aufs Wasser kann. Warum auch nicht?
Grinsend erklärt er mir, er würde so oft wie möglich rudern gehen. Nur wirklich schlechtes Wetter oder zugefrorene Kanäle könnten ihn davon abhalten.
Seine Ausrüstung spricht bände, er ist auf die aktuellen Temperaturen deutlich besser vorbereitet als ich.
Nachdenklich frage ich ihn, ob es nicht irgendwann langweilig wird. Sicher, Friesland ist voller Wasserwege, es würde mich nicht wundern wenn der Schnellste Weg von einem Ort zum nächsten ein Wasserweg wäre – und doch, nach Jahren, jedes Wochenende und so manchen Urlaub? Hat man dann nicht alles gesehen?
Schmunzelnd schüttelt er den Kopf. Nein. Sicher, er hätte sogut wie jeden Kanal und jeden See schon befahren. Aber es würde sich doch alles stetig ändern. Zum einen da die Menschen doch immer wieder etwas bauen oder abreisen würden. Viel mehr aber doch die Natur. Der wechsel der Jahreszeiten würde dafür sorgen das sich das Bild schon von Woche zu Woche ändern würde. Sicher, auf den ersten Blick wäre es oft gleich. Aber man müsse nur genau hinsehen. Kleinigkeiten. Die Farbe des Schilfes. Die Tiere auf den Weiden. Pflanzen. Alles ist stetig im Wandel. Im Winter hat er jede ruhigen, verlassenen Kanäle und Seen die auch ich seit fast zwei Wochen genieße. Kann Stunden lang die Ruhe genießen. Kann durch Orte paddeln ohne auch nur gesehen zu werden.
Im Sommer dann der Trubel, die Touristen. Nein, es würde nicht langweilig werden. Langweilig würde es nur werden, wenn man nicht genauer hinsehen würde.
Und ansonsten würde er sich ja auch im Urlaub immer mal wieder Reviere außerhalb von Friesland ansehen. Das Wattenmeer. Zealand. Und all die anderen Provinzen der Niederlande. Und auch so manches Wassersportparadies in Deutschland. Doch am Liebsten ist er in Friesland. Nicht nur das es seine Heimat ist sondern auch, da er hier ganz legal an den Marrekrite-Plätzen mitten in der Natur übernachten kann. Häfen sind okay, doch wirklich traumhaft und einfach sind doch nur die Plätze in der Natur.
Während wir geredet haben hat er all seine Sachen gepackt.
Während er sich aufs Wasser begibt und in Richtung Stavoren davon rudert bleibe ich zurück. Es ist eine jener Begegnungen über die man nachdenkt. Er war so glücklich. So mancher mag denken das ich minimalistisch unterwegs bin doch dieser Mann… im vergleich dazu führe ich einen ganzen Haushalt mit mir mit. Seine Ausrüstung war so einfach, so simple. Und doch ist er glücklich. Und hat mich angesteckt. Es ist einfach wunderschön hier. Düstere Wolken? Flaute und somit keine Chance zu segeln?
Ist doch egal. Ich bin hier. In Friesland, dieser wundervollen Provinz mit ihren traumhaften Möglichkeiten für Wasserverliebte Narren wie mich. Traurig, das ich schon so nah an Warns bin. Wenn ich wollte könnte ich in einer Stunde da sein. Zwei wenn ich mir Zeit lasse. Wenn ich wollte könnte ich heute Abend zuhause sein, mich in meiner beheizten Wohnung vor den Fernseher kuscheln und auf meinem bequemen Sofa einschlafen. Es wäre einfach, bequem. Angenehm. Ich wäre in rund acht Stunden zuhause. Ich könnte sogar noch einkaufen gehen um mir ein leckeres Abendessen zu machen. Keine Tüten- oder Halbfertiggerichte. Kein fettiges Imbissbudenessen.
Aber ich würde keine neue Ecke mehr sehen. Und so sehr ich dem Kanuten zustimme, das all die Kleinen Veränderungen spannend sind: Solang ich noch neue Kanäle und Seen zu entdecken habe möchte ich genau das tun.
Nein, heute geht es noch nicht zurück nach Deutschland. Das Wetter mag sich verschlechtern, mein Törn dadurch bald enden. Aber nicht heute. Heute geht es nach Stavoren. Und zwar nicht vorbei an Warns, sondern über Molkwerum. Segeln ist bei der Flaute eh nicht. Und dann sind die Brücken ja auch kein Hindernis mehr.
Doch auch das ist nicht weit, ich habe mehr als genug Zeit.
Ganz entspannt frühstücke ich und lese noch etwas in einem Buch, bevor ich schließlich beginne, meine Sachen zu packen und BEA zum Ablegen vorzubereiten.
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Die Ereignisse in diesem Teil geschahen am 20.03.2015
Zurück zum Anfang des Törns: KLICK
Bilder zum Törn: KLICK
Ein Paddler der rudert!?! Autsch… Das hören Paddler gar nicht gern 😉 !
Ein schöner Bericht über Wasserverrückte!!
Paddler? Und ich dachte das Kanuten rudern. Aber ehrlich gesagt ist mir das seit eh und je relativ egal. Man steckt eben so Stöcke die an mindestens einem Ende breit sind unter Wasser und schiebt sich damit nach vorne.
Ich bin dann doch froh, wenn ich mich entspannt zurück lehnen kann und segeln 🙂
Danke für den Hinweis!