Boatfit 2016

Ob ich nun wirklich zur Boatfit gehe war recht lange offen. Einerseits ist die Messe gerade mal 100 Kilometer von meiner neuen Heimat entfernt. Andererseits… was soll ich da? Es ist ganz klar eine Eigner- und Refitmesse. Zwar bin ich mit BEA Eigner – aber sie ist dann doch ein Sonderfall… Mit Bootspflege im allgemeinen und Refit’s im besonderen hab ich bisher gar nichts am Hut. Schließlich gebe ich mir einen Ruck. Schlimmstenfalls treffe ich wieder einige nette Segler, bestenfalls hab ich einen schönen Tag auf einer tollen Messe.

Als ich morgens nach einem Kurzen Abstecher ans Meer ins Auto stieg um nach Bremen zu fahren kann ich mir noch nicht so ganz vorstellen was mich erwarten wird.

Ich bin sicherlich kein Messeexperte. Mein Vergleich was Bootsmessen betrifft ist sehr eingeschränkt. Ich war einmal auf der Hanseboot. Und einmal auf der Boot. Trotzdem wunderte ich mich kurz, das der Parkplatz direkt vor dem Eingang als ich kurz nach zehn ankam nicht übermäßig gefüllt war. Allerdings hatte sich vor der Kasse schon eine Schlange gebildet – gut das ich mich da nicht anstellen musste. In der Messe selbst viel mir recht schnell auf, das sie klein ist. Nach etwa einer viertel Stunde war ich von einem Ende der Messe zur anderen gegangen und hatte mir eine erste Übersicht verschafft. Es gab nichts was ich wirklich brauchte, die Stände waren im großen und ganzen recht spezialisiert. Für jemanden mit einem Boot und entsprechender ToDo-Liste ein Traum. Für jemanden wie mich, der aktuell nur ein Schlauchboot segelt eher eingeschränkt spannend. Mit diesen Rahmenbedingungen würde ich mich sicherlich nicht einen ganzen Tag hier vergnügen. Glücklicherweiße hatte ich im Voraus schon mal durchs Vortragsprogramm gestöbert. Und das hört sich gut an. Richtig gut. So steht schnell fest: Heute höre ich mir einige Vorträge an. Außerdem gibt es doch noch ein, zwei Stände bei denen ich mich etwas informieren will.

Der erste Stand an dem ich hängen bleibe ist ein Bücherstand. Im Vorbei gehen fällt mir die Neuauflage von Rollo Gebhard’s „Seefieber“ auf. Das ist doch ein millemari.-Buch! Ich komme mit den Händlern ins Gespräch und erfahre, das auch andere Bücher vom Verlag hier im Programm sind – nur unweit vom ersten Buch steht Gewittersegeln und Schärensegeln. Besonders freut mich allerdings eine Nachricht: Denn sie haben mein Buch bereits vorbestellt. Ich bin begeistert.

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Schließlich geht es weiter, ich streife durch die zwei Hallen. Besonders zwei Stände mit besegelten Kanus haben es mir angetan. Wunderschöne Holzbauten. Immer wieder bestaune ich diese Schönheiten. Eines sieht sogar recht sportlich aus. Dafür ist das andere richtig offen – man könnte vermutlich bei ruhiger Lage auch gut darin schlafen. Höchstens eine Persinning zum Schutz gegen Regen aufzustellen dürfte ein Problem werden.

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Mühevoll reiße ich mich los und begebe mich zum Stand von Soltwaters, der deutschen Vereinigung der Wattsegler. Einen der Herren am Stand kenne ich bereits entfernt aus einem Forum und wir unterhalten uns. Außerdem fülle ich eine Mitgliedschaftserklärung aus. Es gibt mal wieder Pläne den Wassersport im Wattenmeer noch stärker zu beschränken. Und ich bin sicherlich nicht ans Meer gezogen um dort am Ende in paar Jahren gar nicht mehr segeln zu dürfen. Schließlich bin ich – beim besten willen – als Segler nicht der böse Umweltsünder…

Doch es gibt auch erfreulichere Themen. So bekomme ich einige gute Tipps fürs passende Boot für mein neues Revier.

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Anschließend begebe ich mich zu Diggerchen – einem Bananaboot, dessen Skipper für dieses Jahr spannende Pläne hat. Ich freue mich schon riesig darauf die entsprechenden Beiträge zum geplanten Törn zu lesen. Fasziniert sehe ich es mir an. Das wäre auch noch was für mich. Nur doof, das die Außenelbe und das Wattenmeer nicht unbedingt die friedlichsten Reviere sind. Und um nur an den wenigen Wochenenden wenn alles auch für so ein Boot passt zu segeln bin ich schlicht zu vernarrt ins Segeln.

Weniger aus Neugierde oder Interesse denn wegen Vergnügen setze ich mich zu Stephan Boden’s Vortrag „Einhundsegeln“. Ich hab keinen Hund – und plane auch nicht mir einen anzuschaffen. Doch die Bilder und Videos von Polly sind einfach süß bis lustig. Zusammen mit dem Talent des Redners macht dies einen ausgesprochen angenehmen und amüsanten Vortrag. Selbst wenn man ihn, wie ich, schon gehört hat.

Etwas später sitze ich vor einer anderen Bühne und höre einem Bootsgutachter zu, wie er erklärt worauf man beim Gebrauchtbootkauf achten sollte. Das meiste ist bekannt – immerhin beschäftige ich mich nun schon einige Zeit mit dem Thema. Trotzdem gibt es noch ein paar gute Tipps. Besonders angenehm: Statt seine eigene Dienste anzupreisen erklärt er frei aus, das ein Gutachter gar nicht unbedingt notwendig ist. Gerade bei günstigeren Booten würde jemand mit Sachverstand und einer gewissen Emotionalen Distanz absolut ausreichen.

Mit einem kleinen Umweg über die gesamte Messe lande ich bei einem Vortrag über Leckvermeidung. Eigentlich hatte ich gar nicht geplant gehabt ihn mir anzuhören. Doch im Vorbeigehen hatte es sich interessant angehört und so ergattere ich einen der wenigen noch freien Plätze.

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An der gleichen Bühne lausche ich auch noch dem letzten Vortrag des Tages für mich. Hinnerk Weiler moderiert einen Vortrag über den Umgang zwischen Skipper und Crew. Für mich als Einhandsegler ja erstmal bedingt interessant. Könnte man denken. Immerhin kommt Feedback und Kritik gewöhnlich sehr schnell. Direkt. Und wird gerne mit dem einen oder anderen Schimpfwort ausgeschmückt. Doch wer weiß – mit einem Boot das für mein neues Hausrevier geeignet ist, werde ich mir wohl fast zwangsweise auch ein Boot holen bei dem man besser Mitsegler mitnehmen kann denn mit BEA. Und ich will mit Sicherheit nicht am Ende des Tages zu jenen Skippern gehören, die rumschreien und bei den umliegenden Booten nur für Augenrollen sorgen.

Der Vortrag mit Feedback- und Diskussionsmöglichkeit bietet aber weit mehr als das – und stellt sich für mich als der beste des Tages heraus. Man hat richtig das Gefühl was über Crewführung gelernt zu haben. Und das nach gerade mal einer halben, dreiviertel Stunde!

Kurz unterhalte ich mich noch mit Hinnerk Weiler, den ich auf den vergangenen Messen stets verpasst habe. Später will ich noch seinen Vortrag über Belize zuhören. Ich bin überzeugt: Auch das wird interessant.

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Doch dazu soll es nicht mehr kommen. Am Stand der Biobente treffe ich auf ein paar mir bekannte Segler – und ein paar die ich kennen lerne. Und verquatsche mich fürchterlich. So schaffe ich es auch endlich mal Claus Aktoprak kennen, Autor von Schärensegeln und Komponist einiger toller Lieder. Nachdem ich letztes Jahr sein Buch gelesen habe, hab ich auf der Boot seine Single gekauft. Wir unterhalten uns nur kurz doch ich habe das Gefühl als wäre er ein netter Typ. Ich freue mich auf seinen Film (wenn der mit Buch und Musik mithalten kann wird das ein Hit!). Als ich endlich auf die Uhr sehe ist der Vortrag bereits fast vorbei. Jetzt hingehen macht auch kein Sinn mehr. Außerdem macht es gerade so viel Spaß zu quatschen.

Schließlich endet der Messetag. Mein Tag in Bremen ist aber noch nicht zu Ende. Denn an diesem Abend finden gleich zwei Seglertreffen statt zu denen ich gehen mag! Mit dem Dilemma bin ich nicht alleine und entscheide mich einen anderen Segler zu kopieren – und gehe einfach erst zur einen, dann zur anderen Abendveranstaltung. Bis ich endlich Bremen verlasse ist nach eins. Und es sollte noch zwei Stunden im Kriechtempo durch den Nebel auf der Autobahn dauern bis ich endlich zuhause ankam.

 

Fazit: Anders als Hanseboot und Boot, bei der die Vorträge gefühlsmäßig eher nebensächlich sind, sind die Vorträge auf der Boatfit fast schon das Herzstück. Es gibt nicht nur eine große Anzahl an Fachvorträgen von Experten zu Themen, die sonst kaum behandelt werden – auch der Zeitliche Rahmen passt zum Niveau. Vorträge begannen zu jeder vollen Stunde. Und selbst wenn die Zeit nicht bis zur letzten Minute ausgenutzt wurden bot sich so die Möglichkeit zu interessanten Gesprächen mit den Referenten – ohne dadurch einen anderen, tollen Vortrag zu verpassen. Die Themenvielfalt ist beeindrucken, hinter (gefühlt) jeder Ecke findet sich eine gut besuchte Bühne. Man merkt schnell: Dies ist eine Vortrags- und Expertenmesse.

Doch nicht nur auf der Bühne trifft man auf Fachkompetenz. Auch an den Ständen bieten sich viele Möglichkeiten für tiefergehende Gespräche. Für mich stand am Ende des Tages eines fest: Die Boatfit ist keine Bespaßungs- sondern eine Fachmesse, die ich gerne wieder besuchen werde.

Sebastian