Vorab: Mit diesem Beitrag endet der Dritte und letzte Törn, den ich mit meiner kleinen, BEA, einem 8 Fuß Schlauchsegelboot erleben durfte. (Hier zum Beginn des Törns) Das Ende war recht plötzlich und Emotional – weshalb es mir auch schwer viel es in Worte zu packen. Nun wisst ihr auch, warum hier die letzten Wochen so wenig los war. Auch wenn die Törns mit meiner kleinen nun (fürs erste) hinter mir liegen: Hier geht es auch in Zukunft weiter. Denn dies war erst der Anfang….
Mit einem zärtlichen Tätscheln wende ich den Bug meiner Kleinen wieder gen Osten. Hier komme ich nicht weiter, Starkwindböen – ja, wirklich Starkwind, nicht nur für BEA! – verhindern unser weiterkommen. Und obgleich ich lieber paddelnd – oder noch besser segelnd – nach Warns zurück gekehrt wäre erscheint es mir passend. Ich lasse mich vom Wind zurück nach Heeg treiben. Wofür ich Stunden gegen den Wind paddeln musste zieht nun binnen weniger Minuten an mir vorbei. Das Schilf auf der einen Seite, der Campingplatz auf der anderen. Einige hohe Bäume. Ein verstecktes Paradies. Es sind Orte wie dieser, die BEA mir immer wieder zu zeigen vermochte. Immer wieder bin ich erstaunt das es selbst in den dicht besiedelten Niederlande noch solche Orte gibt.
Schließlich treibt mich der Wind wieder auf den Kanal, zwischen die alten Häuser. Bald schon werden die Wellen flacher, ich muss ein letztes mal zum Paddel greifen. Vorbei geht es an einigen kleineren Booten die neben den Häusern am Kanal fest gemacht sind – ein Bild das mich immer wieder und wieder lächeln lässt. Wie es wohl ist vom Wohnzimmerfenster aus das eigene Boot zu sehen?
Schließlich geht es ein letztes mal für mich unter einer Hebebrücke hindurch – obgleich sie sich nicht öffnet. Wofür auch, der Mast ist gelegt, auch so passe ich ohne Probleme durch.
Aber was jetzt? Mein Plan sieht vor irgendwie nach Warns zu kommen – wohl mit Bussen. Mitten in der Stadt mag ich meine kleine nicht fest machen. Und so rudere ich ein Stück weiter in Richtung Stadtrand, wo ich sie neben einer Brücke fest mache. Dann geht es, bekleidet mit Ölzeug und Neoprensandalen quer durch ein Wohngebiet. Hier irgendwo muss es doch Bushaltestellen geben!
Es dauert nicht lange und ich werde fündig. Busfahren in Friesland – wie das wohl wird? Doch kaum habe ich mich gefreut bemerke ich, wo die Busse hin fahren. Oder viel mehr: Wo sie nicht Hinfahren: In Richtung Warns. Die einzige Möglichkeit für mich mit Bus und Bahn von hier dort hin zu kommen wäre mit dem Bus nach Sneek, von dort mit dem Zug nach Stavoren und schließlich zu Fuß nach Warns. Nein, das ist mir zu kompliziert. Ohne großartig darüber nachzudenken wende ich mich nach Westen und laufe los. Dann eben zu Fuß. Eigentlich klar das hier nichts direkt fährt – Grutte Gaastmeer und De Fluezen versperren den Weg. Zwar gibt es eine Fähre, die ist aber nur für Radfahrer und Fußgänger geeignet. Also gehe ich eben zu Fuß. Das der Regen wieder wie Gewehrkugeln auf mich zuschießt und seinen Weg unters Ölzeug finde merke ich längst nicht mehr. Doch kaum habe ich den Ort verlassen merke ich etwas anderes: Meine Füße. Neoprensandalen mögen ja praktisch beim Jollensegeln sein. Für längere Strecken an Land sind sie denkbar ungeeignet. Was jetzt? Umdrehen und zurück?
Nein.
Hoffnungsvoll halte ich ab sofort den Daumen raus sobald sich ein Auto nähert – und tatsächlich hält schon bald ein junger Mann neben mir an. Bis Gaastmeer nimmt er mich mit, dann trennen sich unsere Wege. Von hier aus muss ich zu Fuß weiter um zur Fähre zu kommen. Gaastmeer gefällt mir und ich hoffe, eines Tages mit einem Boot hier her zu kommen. Doch zum Verweilen bleibt keine Zeit, ich muss weiter. Und so nehme ich den Pfad zur Fähre. Die Starken Böen machen es dem Fährmann nicht einfach doch schließlich liegt es hinter mir. Nachdenklich werfe ich einen Blick auf die Karte. Meine Wasserkarte von Friesland habe ich dabei. Eigentlich ist sie ja nicht wirklich für die Navigation an Land geeignet. Doch bisher ging es überraschend gut – ich kann nur hoffen das es so bleibt. Wenn ich aber rechtzeitig wieder in Heeg sein will – mit Auto – muss ich mich beeilen. Und wenn ich mir die nächsten Kilometer ansehe bezweifle ich, das noch mal jemand anhält – alleine weil warscheinlich niemand da sein wird. Und wenn: Bei meinem Erscheinungsbild zweifle ich, das ich mich selbst mitnehmen würde…
Flotten Schrittes geht es durch den alles in einen Grauton legenden Regen, vorbei an sonst grünen, fröhlichen Feldern und durch ein kleineres Dorf.
Längst schmerzt jeder Muskel und jeder Knochen in meinem Leib, ich bin durchfrohren, durchnässt, meine Schuhe hierfür absolut ungeeignet und der Wind tut mein bestes mich auszubremsen. Doch umdrehen geht nicht, Warns ist bereits näher als Heeg – und mehr als die Hälfte der mir zur Verfügung stehenden Zeit ist um.
Schließlich erreiche ich Koudum. Hier versagt meine Karte, all die Straßen sind zu viel. Letztlich bleibt mir nichts anderes übrig als mich auf mein Gefühl zu verlassen und mich wo möglich am Kanal zu orientieren. Gerne hätte ich eine Pause gemacht – doch die Zeit drängt. Und so geht es raus aus dem Ort, über den Kanal den ich sowohl unter Segel als auch paddelnd für mich entdeckt habe und weiter in Richtung Molkwerum. Die Strecke kenne ich, gleich neben der Straße verläuft ein Kanal auf dem ich schon mit BEA unterwegs war. Molkwerum…. zum zweiten Mal komme ich hier durch – und wieder halte ich nicht inne. Dabei ist es wahrhaft idylisch, ein Ort der nicht all zu stark vom Tourismus gezeichnet zu sein scheint. Also, friesische Häuschen stehen am Straßenrand doch ich eilige vorbei.
Wieder höhre ich einen Motor von hinten und halte, ohne sonderlich viel Hoffnung, den Daumen raus.
Das Geräusch verändert sich und überrascht stelle ich fest, das die Fahrerin bremst!
Lächelnd lässt sie mich einsteigen und fragt wo ich den hin mag. Bei so einem Wetter könne man mich doch nicht einfach stehen lassen. Wieder die Freundlichkeit der Niederländer. Ich liebe es einfach hier zu sein.
Kaum hat sie gehört wo ich bei dem Wetter her komme fährt sie mich die letzten Kilometer zum Hafen. Ich bin ihr unglaublich dankbar – mittlerweile hab ich meine Beine kaum noch bewegen können.
Bald ich Han, der Hafenmeister gefunden. Kopfschüttelnd fragt er mich, warum ich ihn nicht einfach angerufen hätte – er hätte mich ja auch in Heeg abholen können. Bei so viel Gastfreundschaft wird mir wieder einmal klar warum ich so gerne hier bin – und warum ich immer hier gestartet bin. Gerade so kann ich eine Träne unterdrücken und verabschiede mich. Da ruft er mir hinterher:
„Bis zum nächsten Mal!“
Ich bin froh mich bereits umgedreht zu haben. Denn jetzt bricht es aus mir hinaus. Ich heule rotz und Wasser. Gerade so schaffe ich es aus Warns heraus zu fahren, dann muss ich am Rand anhalten. Ich kann fast nix mehr sehen, meine Augen sind gerötet, Tränen laufen über mein ganzes Gesicht. Dies war mein letzter Törn mit BEA in Friesland – jedenfalls fürs erste. Am liebsten würde ich ewig weiter mit ihr hier segeln. Noch so viele Kanäle habe ich nicht entdeckt, ja selbst einige der großen Meere habe ich noch nicht gesehen. All die kleinen und großen Ortschaften. Und die Menschen…. all diese Freundlichen, Hilfsbereiten Menschen, all die spannenden Geschichten die sie erzählen könnten. Doch ich will aufs Meer…
Schniefend wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht und fahre weiter, immer wieder anhaltend um mir die Tränen weg zu wischen.
BEA einzupacken fällt mir schwer. Erinnerungen überfluten mich.
Der erste Tag. Kaum war ich mit BEA los gesegelt überraschte mich ein Gewitter und ich flüchtete zu De Kulliart. Ich muss lächeln. Wie viele Zweifel ich doch hatte. Und wie gering meine Erwartungen an meine kleine waren. Und wie oft sie mir doch gezeigt hat was sie alles kann. Nur einen Tag später habe ich mich mit ihr in eine Bucht einer Marrekrite-Insel geflüchtet. Tapfer hat sie unter Vollzeug die letzten Meter geschafft, bevor ich in der Bucht von einer netten Familie auf ihre Yacht zu einem Tee eingeladen wurde. Und dann, auf dem Sloter Meer, als die Pinne angebrochen ist. Ein Alptraumszenario für jeden Segler. Und doch hat sie mich über den größten Teil des Meeres zurück gebracht, hat überkommenden Wellen und beängstigend starken Böen getrotzt. Und das nur um mich wenige Tage später zum ersten Mal seit ich segle ans Meer zu bringen. Mir zu zeigen was ich will, was mich glücklich macht. Mir Träume und Pläne zu schenken, von denen ich nicht wusste das es sie gibt.
Als ich sie so vor mir liegen sehe, ohne Mast wandern meine Gedanken zum Winter. Gleich am ersten Tag des Wintertörns wurden wir auf Legerwall ins Schilf gedrückt. Schließlich zog ich sie ein langes Stück über ein Feld bis ein junger Landwirt mit dem Tracktor zur Hilfe kam. Ein Boot übers Land ziehen – das geht nur mit wenigen. Es ist eigentlich verrückt und war unglaublich anstrengend. Doch bei der Erinnerung wandern meine Hände sanft über das dicke Hypalon der Schläuche meiner Kleinen. Sie kann eben doch viel ab. Und hat mich nur einen Tag später auf eine Insel im Grutten Gaastmeer geführt, wo ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Tag alleine auf einer Insel verbracht habe! Eine unglaubliche Erfahrung. Ich denke an die Wilden Kanäle durch die ich segeln durfte, das trockene, Braun-Gelbe Schilf des Winters. Ein unglaublicher Anblick. Und daran, wie ich am frühen Morgen Frost von Zelt und BEA gekratzt habe. Erinnerungen die ich wohl nie vergessen werde.
Ich denke am meine Zeit mit ihr in Harlingen im Winter. An meine Wattwanderung. Die jungen Studentinnen die ich kennengelernt habe. Molly’s.
Und dann an die Kanäle auf dem Weg zurück nach Süden. Kimswerd, Witmarsum. Aber auch Makkum und Workum. Und vor allem dieses traumhafte Kanalstück zwischen den beiden Orten.
Hindeloopen. Und meinen unerwarteten und einfach nur perfekten Segeltag den ich auf kleinen Kanälen zwischen Workum und De Morra verbracht habe.
Schließlich, BEA ist längst eingepackt, wandern meine Gedanken zu dem dritten Törn – jenem, den ich gerade beende. Den Größten Teil der Route kannte ich bereits. Und doch bin ich unglaublich dankbar, das ich ihn erleben durfte. Mein Schlag in den Sonnenuntergang – und Aufgang am Anfang. Den Traumhaften Segeltag, an dem ich von De Morra bis Makkum gesegelt bin – für BEA eine unglaubliche Strecke. Die Hilfsbereitschaft der Niederländer, ohne die ich es nicht ans Meer geschafft hätte. Und natürlich den Tag, den ich dort erleben durfte.
Ich muss lächeln. Das Meer. Ohne BEA… hätte ich wohl nie erfahren wie Glücklich mich der Gedanke an salzige Luft machen kann.
Meine Gedanken wandern zu Boulsward und Sneek. Zwei Orte durch die ich bei den vorherigen Törns nur durchgehuscht war. Wie gut, das ich mir dieses mal die nötige Zeit genommen habe! Und mein letzter Segeltag mit BEA zwischen diesesen beiden Städten…
Doch auch gestern und heute laufen vor meinem inneren Auge noch einmal ab. Wie ich mich gestern und auch heute durch Wind und Welle gekämpft habe. So manches größere Boot ist ob des Wetters im Hafen geblieben. Doch meine Kleine hat sich nicht nur durchgebissen – sie hat mir auch stets ein sicheres Gefühl gegeben! Und heute, zum Abschluss hat sie mir mit dem See hinter Heeg noch ein letztes, kleines Naturparadies geschenkt. Zärtlich streiche ich über die Haut meiner Kleinen. Noch immer kann ich kaum glauben wie sehr mich die Törns mit ihr doch berührt und verändert haben. Für andere mag sie nur ein 2,40 Meter langes Schlauchsegelboot sein. Für mich ist sie die aller Größte. Sie hat mir eine ganz Welt gezeigt.
Erneut habe ich Tränen in den Augen. Doch dieses mal sind ich Freudentränen.
„Ich liebe dich, meine Kleine.“