Zwischen Ankunft, Erschöpfung und Hafenkino

Im Hafen angekommen sehe ich mich zunächst einmal um. Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet mit der Tide noch hier rein zu kommen. Stege oder gar Schwimmstege gibt es nicht. Mir bleibt also nichts anderes übrig als direkt an der Kaimauer festzumachen. Doch zunächst hänge ich meine Fender raus und bereite die Leinen vor.

Ich halte schon darauf zu um längsseits festzumachen als mich ein Segler anspricht. Hier auf Neuwerk sei es üblich mit dem Bug an die Kaimauer zu gehen. Das Heck würde man dann mit langen Leinen absichern. Und so drehe ich kurz ab um halte anschließend mit dem Bug auf den Kai zu. Am Bugkorb stehend halte ich uns ab und versuche meine Bugleinen über zu legen. Es sind große Augen in die Leinen gespleist, eine deutliche Erleichterung beim Anlegen. Normalerweise. Aber nicht hier: Die Poller sind so dick, das meine Augen nicht drüber passen. Auch näher heran ziehen geht nicht – weiter vorne wird das Wasser zu flach.

Ich sehe mich kurz um. Mein Blick fällt auf die Springleine. Eilig ergreife ich sie und versuche sie über zu legen. Doch es ist bereits zu spät, wir sind abgetrieben und ich muss einen zweiten Versuch starten.

Nun ist der Bug festgemacht. Doch fehlen noch die Heckleinen. Lange Heckleinen – so etwas hatte ich noch nicht. Bisher dachte ich, wirklich lange Leinen bräuchte man nur auf Helgoland. Ich habe keine extra langen und kann nur hoffen das meine reichen. Ich belege die Klampen mit dem hintersten Stück Leine und mache mich bereit sie zu werfen. Der Segler vom Nachbarboot steht währenddessen bereits auf der anderen Seite des Hafens bereit die Leinen anzunehmen. Ich hole tief Luft, werfe….

….und die Leine landet im Wasser. Zu kurz, es reicht nicht. Verdammt. Eilig hole ich die Leine ein und sehe mich um. Sieht dieses Bündel da nicht länger auf? Die Leine ist sauber zusammengelegt. Kurzerhand belege ich das Ende auf der Klampe und werfe erneut. Erst als die Leinen durch die Luft fliegen fällt mir mein Fehler auf. Dies war nicht eine lange Leine. Nein, es waren zwei kurze – wodurch es recht viel aussah!

Platsch. Beide Leinen landen im Wasser. Eine kann ich noch einholen, war sie doch am Boot festgebunden. Die andere…

Nun, um sie werde ich mich später kümmern müssen. Erstmal muss ich irgendwie festmachen.

Eine längere Leine habe ich nicht. Und wieder ablegen? Hier komme ich wohl kaum noch raus. Außerdem: Ich bin hier auf Neuwerk, hab es geschafft bis in den Hafen zu kommen. Nur wegen doofen langen und nicht vorhandenen Leinen aufgeben? Nein!

Kurzerhand binde ich mehrere Leinen zusammen. Keine elegante Lösung, reduzieren Knoten doch die Haltekraft. Doch in diesem Fall… der Hafen liegt flach und gut geschützt auf einem Wattenhoch. Die aller meiste Zeit wird Bea Orca hier sowieso auf dem Grund stehen. Starke Strömungen, Winde und hohe Wellen sind kein Thema. Da wird es schon reichen.

Eine Zweite Leine wird so verlängert und geworfen, dann sind wir fest.

Bea Orca im Neuwerker Bauernhafen

Während ich meine liebe Not mit dem Anlegen hatte, hat sich ein dritte Segler in sein Beiboot gesetzt und für mich die Leine mitten aus dem Hafen gefischt. Dankend nehme ich sie ihm ab.

Nun möchte ich endlich an Land. Neugierig begebe ich mich zum Bug. Doch so einfach ist dies nicht. Der Abstand zwischen Bea Orca und dem Ufer ist groß, ich muss mich ganz vorne auf den Bugkorb stellen um mit einem großen Schritt ans Land zu kommen. Wenige Zentimeter mehr und ich wäre an Bord gefangen. Das muss ich ändern. Motiviert packe ich die Leine und versuche Bea Orca näher an Land zu ziehen. Vergebens. Wir stehen bereits fest. Bis zum nächsten Hochwasser werde ich mindestens so stehen bleiben. Nein, bis zum übernächsten – ich kann mir nicht vorstellen dafür mitten in der Nacht aufzustehen…

Ich unterhalte mich kurz mit den anderen Seglern. Doch schnell merke ich, das ich mich hinlegen muss. Ich bin kaputt. Die letzten Tage waren extrem anstrengend für mich. Nicht körperlich, nein. Aber Geistig.

Die vergangenen 4 Nächte habe ich vor Anker verbracht. Und dabei habe ich davor noch nie über Nacht geankert. Nun ja – zwei Nächte war ich auch Unterwegs. Das erste Mal auf meiner aller ersten Nachtfahrt zum Dithmarschen Wattenmeer – und bin vor Friedrichskoog gestrandet. Dann meine dadurch nötige Nachfahrt durchs Wattenmeer. Mein Törn über Cuxhaven ins Wattenmeer, Ankern beim Duhner Loch, zum ersten Mal geplant Trockenfallen… es war verdammt viel Neues. Toll, ja. Aber auch aufregend, anstrengend. Jetzt, das Boot sicher im Hafen, merke ich wie alles von mir fällt. Eben noch fühlte ich mich top fit, dachte darüber nach einmal um die ganze Insel zu laufen. Und jetzt…. Ich bin tot müde. Kaputt. Nur mit großer Mühe gelingt es mir ein Gähnen zu unterdrücken. Ich bedanke mich noch einmal bei den anderen Seglern, klettere zurück an Bord und lege mich hin. Ich schaffe es gerade noch meine Schuhe auszuziehen. Bereits in den Schlafsack zu schlüpfen ist zu viel. Kaum spüre ich die Polster meiner Vorschiffskoje unter mir klappen meine Augen zu. Ich schlafe ein.

 

Ich wünsche all meinen Leser ein Frohes Weihnachtsfest. Hier geht es übrigens auch zwischen den Jahren weiter 😉

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Die Ereignisse in diesem Beitrag geschahen am 18.08.2016.

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Sebastian